Erstes Formel-1-Podest für Hülkenberg im 239. GP – das Sauber-Team beendet in Silverstone eine fast 13-jährige Durststrecke


Es ist ein Funkspruch aus der Emotion heraus, aber es klingt trotzdem nicht sonderlich übertrieben, wenn der Sauber-Teamchef Jonathan Wheatley nach dem Grand Prix von Grossbritannien in das Cockpit von Nico Hülkenberg funkt: «Das muss das am meisten überfällige Podium in der Geschichte der Formel 1 sein!»
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Die nackten Zahlen sprechen tatsächlich dafür, denn der deutsche Rennfahrer hat es in seinem 239. Grand Prix zum ersten Mal aufs Podest geschafft. Der dritte Platz Hülkenbergs nach einer rasanten Aufholjagd befreit den gesamten Schweizer Rennstall von einer Art sportlichem Fluch, zum letzten Mal war im Oktober 2012 ein Sauber-Fahrer bei einer Siegerehrung dabei gewesen, damals durch Kamui Kobayashi in Suzuka. Auch für die stolze deutsche Renn-Nation beendet dieses Ergebnis eine lange Durststrecke; seit Sebastian Vettel 2021 hatte es keine Podestklassierung mehr gegeben.
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In einem von Regenschauern, Aquaplaning, Unfällen und Safety-Car-Phasen geprägten Rennen vor der Rekordkulisse von 160 000 Zuschauern erfüllte sich der Brite Lando Norris mit dem Heimsieg einen sportlichen Lebenstraum, nachdem sich der McLaren-Teamkollege Oscar Piastri durch einen Fehler beim Re-Start samt Zeitstrafe um den Sieg gebracht hatte und am Ende Zweiter wurde. Der Australier führt die Gesamtwertung aber immer noch mit acht Punkten Vorsprung vor Norris an.
Was die Erfüllung grosser Träume angeht, muss sich der 37 Jahre und 321 Tage alte Hülkenberg nicht hinter Sieger Norris verstecken. Denn der Sprung nach ganz vorn gelang dem Rheinländer, der bereits 2010 sein Debüt in der Königsklasse gegeben hatte, nicht nur unter schwierigen Witterungsbedingungen, sondern vor allem nach einer verpatzten Qualifikation vom vorletzten Startplatz aus.
«So etwas zu schaffen, das hat nicht nur mit Glück zu tun, sondern vor allem mit einer sehr starken Rennleistung», lobte Mattia Binotto, der dafür verantwortlich ist, dass aus Sauber das künftige Audi-Werksteam wird. Der Italiener bilanzierte eine fehlerfreie Fahrt, eine gute Kommunikation und die richtige Strategie.
Hülkenberg, der von den Fans zum Fahrer des Tages in Silverstone gewählt wurde, musste sich nach den 52 anstrengenden Runden erst einmal sammeln. «Oh mein Gott, das ist unglaublich», stammelte er mit tränenerstickter Stimme über Bordfunk. In der Sauber-Garage, wo sie seit der 35. Runde mitzitterten, als Hülkenberg sich am ebenfalls nach vorn gespülten Kanadier Lance Stroll vorbei auf den dritten Rang geschoben hatte, führten sie bereits Freudentänze auf.
Der Champagner war schon vorbereitet, doch mit dem Rekordweltmeister Lewis Hamilton im Nacken war Hülkenbergs Erfolg im letzten Rennviertel keineswegs sicher. Bis auf eine Sekunde war der Brite zwischenzeitlich schon dran, der sich sein erstes Podium in Ferrari-Rot bei seinem Heimspiel so sehr ersehnt hatte. Aber in der entscheidenden Phase der letzten Reifenwechsel behielten Hülkenberg und Sauber kühle Köpfe. Hülkenberg blieb eine Runde länger draussen als Hamilton, das brachte die Entscheidung. Am Ende trennten den Dritten und Vierten fünf Sekunden.
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Mit den Gepflogenheiten für die besten Drei muss sich Hülkenberg zuerst noch vertraut machen, Sieger Norris musste dessen Helm mitbringen, für den hinter dem Podium eine Vitrine vorgesehen war. Der Mann aus dem niederrheinischen Emmerich, der 2015 bei seinem Le-Mans-Sieg mit Porsche letztmals auf einem Podium gestanden hatte, war zu diesem Zeitpunkt bereits wieder gefasster, obwohl er darüber staunte, dass die in Silverstone überreichten Trophäen aus Lego-Steinen zusammengesetzt waren.
Mit etwas Abstand sprach Hülkenberg von einem generell guten Rennrhythmus, gestand aber auch, dass er nach den intensiven hundert Minuten von Silverstone erst einmal Emotionen und Impressionen aussortieren müsse: «Es war schon surreal.» Das Fernduell mit Verfolger Hamilton habe bei ihm für Nervenkitzel und Kampfgeist gesorgt: «Ich wusste, ich musste es irgendwie durchbringen. Aber es war ein Ritt auf der Rasierklinge.» Seine enorme Erfahrung dürfte ihm in dieser Situation zugute gekommen sein.
Verbesserungen dank dem Hinwiler WindkanalBereits am Wochenende zuvor in Spielberg war er von weit hinten auf den neunten Rang gefahren, was in einem eng zusammenliegenden und hart umkämpften Mittelfeld oft einen ähnlichen Schwierigkeitsgrad hat wie der Kampf um einen Sieg. In der Fahrer-WM schaffte Hülkenberg dank der 15 Punkte von Silverstone den Sprung auf Rang neun.
Das hat auch entscheidende Auswirkungen auf die lukrative Konstrukteurswertung. Sauber, zuvor noch Vorletzter, liegt nun auf dem sechsten Rang, mit fünf Punkten Vorsprung auf die Racing Bulls und Aston Martin. 35 der 41 Zähler für das Sauber-Team in diesem Jahr wurden in den letzten vier Rennen herausgefahren, nachdem der Rennwagen vom Typ C 45 aerodynamisch im Hinwiler Windkanal stark verbessert worden war, vorrangig durch einen umgestalteten Fahrzeugunterboden.
He started P19 and finished P3! 💪
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Über den Jubelmoment in Mittelengland hinaus besitzt der Podestplatz eine nicht zu unterschätzende Wirkung für das Momentum im Rennstall. «Das bringt zusätzliche Energie ins Team», glaubt Mattia Binotto, der schon nach den jüngsten Erfolgen festgestellt hat, dass die in kurzer Zeit stark vergrösserte Belegschaft zunehmend mit einem Lächeln in die Fabrik käme.
Für den am 1. April von Red Bull Racing gekommenen Teamchef Jonathan Wheatley ist das Resultat die neuerliche Bestätigung dafür, «dass wir uns auf einer tollen Reise befinden». Der Brite hatte der Sauber-Crew entscheidende Impulse bei der Boxenstopp-Technik und der Strategie geben können. Nico Hülkenberg souffliert nur zu gern: «Ich hatte es in mir, wir haben es in uns.»
Finally... Nico steps onto the podium! 🥹#F1 #BritishGP pic.twitter.com/fYs8m0U5YC
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