Akropolis in Athen: Tempel erstmals seit 50 Jahren ohne Gerüste zu sehen

Es ist ein Anblick, an den sich nur wenige ältere Athenerinnen und Athener erinnern können. Seit Jahrzehnten kennen sie die Akropolis, das Wahrzeichen ihrer Stadt, als Großbaustelle. Kräne und Stahlgerüste bestimmten das Bild am Parthenon, dem berühmtesten Tempel der griechischen Antike. Jetzt sind die Säulen von ihrem Stahlkorsett befreit.
„Zum ersten Mal seit Beginn des Restaurationsprogramms im Jahr 1975 steht der Tempel jetzt gänzlich ohne Gerüste da“, sagt die Architektin und Bauingenieurin Rozalia Christodoulopoulou, die im griechischen Kulturministerium an dem Projekt zur Erhaltung der antiken Bauten mitarbeitet.
Seit fünf Jahrzehnten läuft auf der Akropolis eines der weltweit ambitioniertesten Restaurierungsprogramme. Große Teile des Parthenons, des Erechteieons, des Nike-Tempels und der Propyläen, der monumentalen Torhallen, wurden zerlegt, konserviert und dann wieder aufgebaut. Tausende kleine und große Marmorfragmente, die seit Jahrhunderten auf dem Felsen verstreut lagen, wurden akribisch vermessen und katalogisiert. Wenn man ihre Herkunft feststellen konnte, wurden sie wieder in die Gebäude eingefügt.
Fehlende oder schadhafte Elemente wurden ersetzt, wenn dadurch vorhandene Originalfragmente sinnvoll in die Ruinen eingefügt werden konnten. Die neuen Elemente sind an ihrer helleren Farbe deutlich zu erkennen. Den Marmor für die „Ersatzteile“ brechen die Restauratoren dort, wo schon die alten Griechen ihr Baumaterial für die Akropolis gewannen, in den antiken Marmorbrüchen am Berg Penteli, nordöstlich Athens.

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Nicht nur der Zahn der Zeit nagt an den antiken Bauwerken. Bei den Arbeiten ging es auch darum, missglückte Restaurierungsversuche früherer Generationen zu korrigieren. So setzten Restauratoren in den 1930er Jahren an vielen Stellen Eisenklammern in die Bauwerke ein, um ihre gefährdete Statik zu sichern. Eindringende Feuchtigkeit ließ im Laufe der Jahrzehnte das Eisen rosten, es dehnte sich aus und drohte, den Marmor zu zersprengen. In den vergangenen Jahren ersetzte man diese Eisenelemente durch Titan, ein Edelmetall, das korrosionsfrei und langlebig ist.
Bei den Restaurierungsarbeiten kooperieren die griechischen Archäologen, Architekten und Bauingenieure eng mit Fachleuten und wissenschaftlichen Instituten im Ausland. Die Akropolis-Restaurierung gilt in der Fachwelt als ein Musterbeispiel hoher fachlicher Kompetenz und internationaler Zusammenarbeit.

Auch im Zeitalter der Wolkenkratzer beeindruckt der Parthenon. Säulen und Außenwände stehen leicht geneigt auf ihren Fundamenten. Die Fortsetzung ihrer Linien nach oben würde in etwa 2000 Metern Höhe in einem einzigen Punkt zusammenlaufen. Auch der dreistufige Unterbau des Tempels ist leicht gewölbt. Die Ecksäulen haben einen etwas größeren Umfang als die übrigen 42 Säulen der Außenreihe, und nicht überall ist der Abstand zwischen diesen gleich groß. Diese scheinbaren „Unregelmäßigkeiten“ haben die Parthenon-Architekten Iktinos, Mnesikles und Kallikrates genau kalkuliert. Sie geben dem Tempel nicht nur statische Stabilität. In ihrer Summe lassen sie das Bauwerk trotz seiner gewaltigen Ausmaße leicht und elegant erscheinen.
Im 6. Jahrhundert n. Chr. wurde der Tempel in eine Kirche umgewandelt, die der Jungfrau Maria geweiht war. Die türkischen Besatzer, die 1458 Athen eroberten, gestalteten den Parthenon zu einer Moschee um. Im Krieg gegen die Venezianer nutzten die Türken den Tempel als Munitionslager. So wurde der 26. September 1687 einer der dunkelsten Tage in der Geschichte des Bauwerks: Bei der Belagerung Athens ließ der venezianische Feldherr Francesco Morosini die Akropolis unter Beschuss nehmen. Eine Kanonenkugel traf das Pulverdepot im Parthenon. Durch die Explosion wurde der bis dahin weitgehend intakte Tempel schwer beschädigt.
Athens Wahrzeichen, das seit 1987 Teil des Weltkulturerbes der Unesco ist, zog im vergangenen Jahr 4,5 Millionen Besucher und Besucherinnen an. In Spitzenzeiten drängen sich täglich bis zu 20.000 Menschen auf der Akropolis. Das ist die höchstzulässige Zahl von Besuchern. Um die Touristenströme zu steuern und Überfüllung zu verhindern, haben die Behörden ein Reservierungssystem eingeführt. Gruppen und Einzelbesucher - und besucherinnen bekommen Zeitfenster zugeteilt.

Schon in etwa einem Monat werden am Parthenon wieder Stahlstrukturen aufgebaut, um die Arbeiten fortzusetzen. Die neuen Gerüste werden allerdings filigraner sein und den optischen Eindruck des Bauwerks weniger stören. Und sie sollen nur kurze Zeit bleiben. Ab Frühsommer 2026 werde der Parthenon wieder gänzlich ohne Gerüste zu bewundern sein, sagt die griechische Kulturministerin Lina Mendoni.
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