Ukraine erwägt Wechsel zum Euro als Referenzwährung

Die Ukraine erwägt eine Abkehr vom US-Dollar und eine engere Anbindung ihrer Währung an den Euro, erklärte Nationalbankspräsident Andrij Pyschnyj gegenüber Reuters. Grund dafür sei die Fragmentierung des Welthandels und die wachsenden Beziehungen zu Europa.
Der mögliche Beitritt zur Europäischen Union, eine „Stärkung der Rolle der EU bei der Sicherung unserer Verteidigungsfähigkeiten, größere Volatilität auf den globalen Märkten und die Wahrscheinlichkeit einer Fragmentierung des Welthandels“ ließe die ukrainische Zentralbank überprüfen, ob der Euro anstelle des Dollars zukünftig als Referenzwährung genutzt werden solle, erklärte der ukrainische Notenbankchef Pyschnyj.
„Diese Arbeit ist komplex und erfordert eine hochwertige, vielseitige Vorbereitung“, fügte er hinzu. Dies sind die direktesten Äußerungen eines ukrainischen Beamten zu einer möglichen Währungsumstellung für die ukrainische Griwna.
Der Dollar dominiert den internationalen Handel und macht den Großteil der weltweiten Reserven aus. Große Volkswirtschaften wie Saudi-Arabien und Hongkong binden ihre Währungen an den Dollar.
Der von US-Präsident Donald Trump angefachte Handelskrieg, veranlasst einige Beobachter dazu, die zukünftige Rolle des Dollars als globale Reservewährung in Frage zu stellen.
Seit Trumps Rückkehr ins Weiße Haus hat der US-Dollar gegenüber einer Reihe wichtiger Währungen um mehr als 9 Prozent an Wert verloren, da Investoren sich aus US-Vermögenswerten zurückziehen.
Einige Experten warnen davor, die Stärke des Dollars mit seinem Status als Reservewährung in Verbindung zu bringen. Historisch gesehen sind Dollarbestände mit Sicherheitsbündnissen und militärischen Verbindungen zu Washington verwoben.
Transaktionen mit dem US-Dollar dominieren weiterhin alle Segmente des Devisenmarktes, so Pyschnyj, aber der Anteil der auf Euro lautenden Transaktionen sei in den meisten Segmenten gestiegen, wenn auch „bislang moderat“.
US-Dollar als ReferenzwährungDie Ukraine führte 1996 die Griwna ein und verwendete über Jahrzehnte hinweg den Dollar als Referenzwährung.
Unmittelbar nach dem Einmarsch Russlands im Februar 2022 verhängte die Zentralbank Kapitalkontrollen und legte die Griwna zu einem offiziellen Kurs von etwa 29 zum US-Dollar fest. Aufgrund zunehmender fiskalischer Ungleichgewichte war die Ukraine später zu einer Abwertung gezwungen.
Im Oktober 2023 wechselte die Zentralbank von einer festen Bindung zu einem kontrollierten Wechselkurssystem, das den US-Dollar als Referenzwert verwendet – als Maßstab für Devisenmarktinterventionen und zur Glättung von Wechselkursschwankungen.
Nähe zur EUDie EU hat vor fast einem Jahr Beitrittsgespräche mit der Ukraine und Moldawien aufgenommen, doch bis zu einem Beitritt ist es noch ein langer und steiniger Weg.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte im Februar, dass die Ukraine bis 2030 beitreten könnte, sofern sie die Reformen ihres politischen und Justizsystems im derzeitigen Tempo fortsetzt.
In Vorbereitung darauf hat Moldawien am 2. Januar seine Referenzwährung vom Dollar auf den Euro umgestellt.
Eine Belebung der Investitionen und des Konsums dank engerer Beziehungen zu Europa und einer Normalisierung der Wirtschaft würde laut Pyschnyj dazu beitragen, dass das Wirtschaftswachstum in den nächsten zwei Jahren leicht auf 3,7 bis 3,9 Prozent anzieht, wobei ein Großteil der wirtschaftlichen Entwicklung jedoch von der weiteren Entwicklung des Konflikts abhängt.
„Ein rasches Ende des Krieges wäre eindeutig ein positives Szenario mit guten wirtschaftlichen Ergebnissen, wenn es Sicherheitsgarantien für die Ukraine beinhalten würde“, sagte Pyschnyj.
„Dennoch muss man sich bewusst sein, dass es wahrscheinlich einige Zeit dauern wird, bis die wirtschaftlichen Vorteile eines Kriegsendes voll zum Tragen kommen.“
Die Ukraine ist auf externe Finanzmittel angewiesen, um die Kriegskosten zu finanzieren. Pyshnyi rechnet für dieses Jahr mit 55 Milliarden US-Dollar, die nicht nur das Haushaltsdefizit decken, sondern auch zur Bildung einer Reserve für die öffentlichen Finanzen in den kommenden Jahren dienen sollen, wenn die Hilfsgelder voraussichtlich zurückgehen werden.
„Wir gehen davon aus, dass die Ukraine 2026 etwa 17 Milliarden US-Dollar und 2027 etwa 15 Milliarden US-Dollar erhalten wird“, so Pyschnyj.
euractiv