Minister von CDU und CSU: So bewertet die Berliner Zeitung das Merz-Kabinett

Wenig Prominenz, dafür viele Überraschungen: Friedrich Merz und Markus Söder haben am Montag ihre Kandidaten für das Kabinett der künftigen Bundesregierung vorgestellt. Die Berliner Zeitung verschafft einen Überblick über die neuen Unionsminister und vergibt Schulnoten für die Personalentscheidungen. Es zeigt sich jedenfalls: Unserer Bitte, nicht auf das Parteibuch, sondern stärker auf Fachkompetenz zu achten, ist der Kanzler gefolgt.
Thorsten Frei, Chef des Bundeskanzleramts und Bundesminister für besondere Aufgaben
Erfahrung: Thorsten Frei war mal Oberbürgermeister von Donaueschingen, einer Kleinstadt in Baden-Württemberg. Das war es dann aber auch in Sachen Regierungserfahrung. Wenn es allein nach dem Lebenslauf ginge, wäre der 51-Jährige bestimmt nicht die erste Wahl für diesen wichtigen Platz am Kabinettstisch. Schließlich hat er bis dato weder eine Landes- noch eine Bundesregierung von innen gesehen. Allerdings sitzt Frei bereits seit zwölf Jahren im Bundestag, war zuletzt Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion und damit die rechte Hand von Friedrich Merz. Er weiß also, wie man Personal führt und organisiert – und genießt das Vertrauen des künftigen Kanzlers.
Kommunikationsfähigkeit: Frei gilt in der Union als zugewandter Gesprächspartner, hat auch über Parteigrenzen hinweg den Ruf eines fairen Kollegen. In den Koalitionsgesprächen war er einer der wichtigsten CDU-Verhandler, aus der Union heißt es, seine „ordnende Hand“ sei klar erkennbar gewesen. Nach außen erläuterte Frei die Pläne seines Parteichefs ruhig, sachlich und ohne Patzer im Wahlkampf. Auch gegenüber Journalisten war er ein ausdauernder Politikerklärer. Eine Eigenschaft, die man als Kanzleramtschef braucht.
Fachliche Kompetenz: In der Fraktion werden Frei „hervorragende Management-Fähigkeiten“ nachgesagt. Eine seiner wichtigsten Aufgaben wird es sein, die Koalition am Laufen zu halten, unter den Ministerien zu vermitteln – gerade dann, wenn es zwischen CDU, CSU und SPD einmal haken sollte. Inhaltlich wird Frei als Kanzleramtschef ein Allrounder sein müssen. Er gilt als thematisch breit aufgestellt, gut informiert – und hat sich in der Migrationspolitik einen Namen gemacht, als er 2023 anstelle des individuellen Asylrechts nationale Kontingente bei der Aufnahme von Flüchtlingen vorschlug. Migration soll eines der zentralen Themen seines Kanzlers sein – Frei ist in diesem Punkt fachlich sehr gut vorbereitet.
Budgetverantwortung: Große Budgets verantwortete Frei bislang nicht.
Herausragende Projekte: Dass er an der Seite von Friedrich Merz die Unionsfraktion nach der Merkel-Ära einte und auf Oppositionskurs brachte, ist Freis bedeutendster Erfolg in der Bundespolitik.
Auslandserfahrung: Daran fehlt es Frei weitgehend. Allerdings konnte er als Fraktionsmanager in den vergangenen Jahren Kontakte auf europäischer Ebene knüpfen, die vor allem in der Migrationspolitik wichtig sein werden.
Schulnote: 2+

Erfahrung: Als Vorsitzender der CSU-Landesgruppe war Alexander Dobrindt, 54, zuletzt acht Jahre lang einer der einflussreichsten Abgeordneten der Unionsfraktion. Er vertrat gewissermaßen die bayerischen Interessen im Parlament, fungierte als Statthalter von Markus Söder. Davon abgesehen blickt Dobrindt auf eine lange, vielseitige politische Karriere zurück: Seit 2002 ist er Mitglied des Bundestags, war CSU-Generalsekretär unter Horst Seehofer und Verkehrsminister von Angela Merkel. In diese Zeit fiel auch der Anstoß für die geplante Pkw-Maut – ein Projekt, für das sich Dobrindt einsetzte, das als „Ausländermaut“ bekannt wurde, später spektakulär scheiterte und viel Geld kostete.
Kommunikationsfähigkeit: Dobrindt ist ein begabter Politikrhetoriker, in den Medien wird er als „Scharfmacher“ beschrieben. In Talkshows oder im Parlament war Zurückhaltung seine Sache nicht, er prägte Begriffe wie „Anti-Abschiebe-Industrie“, nannte Olaf Scholz einen „Koma-Kanzler“ und „Klebe-Olaf“. In den Koalitionsgesprächen von Union und SPD, so hieß es aus Verhandlungskreisen, trat er derweil als kenntnisreicher, ausgleichender Vermittler auf. Im persönlichen Umgang soll er tatsächlich ein aufrichtiger, vertrauenswürdiger Parlamentskollege sein – das sagen auch Abgeordnete anderer Fraktionen. Dass er eng mit den Intimfeinden Seehofer und Söder zusammenarbeitete, spricht für eine gewisse Geschmeidigkeit, die in der Politik nicht schadet.
Fachliche Kompetenz: Der studierte Soziologe gilt als guter Netzwerker und Machtpolitiker, weniger als Fachmann. Allerdings soll er einst den „Masterplan Migration“ von Innenminister Seehofer mitverantwortet haben. In der Migrationspolitik sprach er sich zuletzt für einen „Knallhartkurs“ aus. Wenn eines Tages seine Arbeit als Innenminister bewertet werden soll, wird es vor allem darum gehen, ob er die Versprechen, die die Union im Wahlkampf gab, erfüllen konnte. Für die Begrenzung der Migration wird nun in erster Linie seine Partei, die CSU, verantwortlich sein – denn an Dobrindts Seite zieht seine Parteikollegin Daniela Ludwig als Staatssekretärin ins Innenministerium ein. So hohen Erwartungen muss kaum ein anderer Minister genügen.
Budgetverantwortung: Als ehemaliger Bundesminister und Generalsekretär verantwortete Dobrindt viele Geldtöpfe. Wie verantwortungsvoll er dabei agierte, darüber gehen die Bewertungen auseinander – die Grünen gaben ihm eine Mitschuld am Maut-Desaster, Dobrindt selbst wies das weit von sich.
Herausragende Projekte: Als Verkehrsminister hatte Dobrindt eine – vorsichtig ausgedrückt – magere Bilanz. Die Belange Bayerns vertrat er jedoch ausdauernd und leidenschaftlich.
Auslandserfahrung: Auf weltpolitischer Bühne ist Dobrindt bislang selten in Erscheinung getreten. Als Bayer dürfte er gute Kontakte nach Österreich haben, was in Sachen Migration helfen könnte. Dass er auf europäischer Ebene gerade auch in Asylfragen gut verhandeln kann, wird Dobrindt noch beweisen müssen.
Schulnote: 3
Karin Prien, Bundesministerin für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Erfahrung: Karin Prien, 59, könnte die erste Jüdin in einem bundesdeutschen Kabinett werden. Sie ist in den Niederlanden geboren, wohin ihre Großeltern in den 30er-Jahren vor den Nazis flohen, ist verheiratet, hat drei erwachsene Söhne, war lange Partnerin einer Wirtschaftskanzlei. Schon seit den 80ern ist sie in der CDU aktiv. Fast wirkt es, als hätte ihre gesamte Karriere auf das Amt der Bundesbildungsministerin hingesteuert. Schon seit 2017 ist sie Bildungsministerin in Schleswig-Holstein. Sie ist Vorsitzende des Fachausschusses Bildung, Forschung und Innovation der CDU, war 2022 Präsidentin der Kultusministerkonferenz und koordiniert dort seit 2024 die CDU-geführten Länder. In der CDU gilt sie, wie ihr bisheriger Chef, der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther, als Vertreterin des liberalen Flügels.
Kommunikationsfähigkeit: Prien gilt als die bekannteste Bildungsministerin Deutschlands. Sie ist regelmäßig in Talkshows präsent, äußert sich nicht nur zu Bildungsfragen, sondern auch immer wieder zu Antisemitismus und anderen gesellschaftlichen Themen. Dabei unterlaufen ihr auch kommunikative Patzer. 2021 solidarisierte sie sich vorschnell öffentlich mit dem Sänger Gil Ofarim, der behauptet hatte, von einem Mitarbeiter eines Leipziger Hotels wegen seines Davidsterns beleidigt worden zu sein. Prien forderte auf X die Entlassung des Mitarbeiters, schrieb: „Unfassbar, dass so etwas in Deutschland geschieht.“ Als Ofarim 2023 vor Gericht zugab, gelogen zu haben, sah sie sich zu einer öffentlichen Entschuldigung gezwungen.
Fachliche Kompetenz: In der CDU dürfte kaum ein Politiker fachlich für das Bildungsministerium so geeignet sein wie Karin Prien. Sie war federführend bei den Verhandlungen über das Bildungskapitel des neuen schwarz-roten Koalitionsvertrages. Und entsprechend ihren Plänen werden in der künftigen Legislaturperiode die Bereiche Bildung und Jugend unter einem Dach betreut. Ganz nach ihren Vorstellungen einer strategischen Bildungspolitik entlang der gesamten Bildungskette: von der Kita über Schule und Ausbildung bis zur Fort- und Weiterbildung. Priens langjährige Erfahrung als Landesministerin zeigt ihre Eignung, ein großes Ressort zu leiten. Jedoch gibt es in Schleswig-Holstein auch Kritik an ihrer Politik. So muss sie verantworten, dass in ihrem Bundesland künftig Unterrichtsstunden gekürzt werden. Und das bei schlechter werdenden Ergebnissen in Bildungsstudien. Was die Bereiche Familie, Senioren und Frauen angeht, ist bislang wenig Fachliches über Prien bekannt.
Budgetverantwortung: Prien verantwortet mit rund 2,6 Milliarden Euro das größte Budget aller Ressorts in Schleswig-Holstein.
Herausragende Projekte: Karin Prien startete Projekte wie die Bildungsoffensive, „Traumberuf Lehrer/in“ und den Masterplan Mathematik, um Bildung und Integration zu stärken. Ihre Digital- und Antisemitismusinitiativen punkten, doch Kürzungen und schwache Pisa-Ergebnisse dämpfen den Erfolg. Ambitioniert, aber nicht durchweg überzeugend.
Auslandserfahrung: Prien wuchs in den Niederlanden auf, zog als kleines Mädchen mit ihrer Familie aber früh nach Deutschland. 1991 machte sie einen Master of Law in Amsterdam. Weitere Auslandserfahrung ist nicht bekannt.
Schulnote: 2
Johann Wadephul, Bundesminister des Auswärtigen
Erfahrung: Der neue Außenminister Johann Wadephul hat sich vor allem durch russlandkritische Aussagen Profil verschafft. „Russland wird immer ein Feind für uns bleiben“, sagte er 2024 in einem Telefonat mit zwei russischen Komikern, die sich als ukrainisches Präsidialbüro ausgaben. Der Mann von der schleswig-holsteinischen Waterkant hat selbst nie länger im Ausland gelebt. Was von seinen Ansichten bekannt ist, klingt nach westdeutscher CDU-Politik der 1970er-Jahre: Der Feind steht in Moskau; gegen die Ost- und Entspannungspolitik; Russen kann man nicht trauen. Kontinuität mit Annalena Baerbocks Außenpolitik ist erst recht nicht zu erwarten; um die Feministinnen und Feministen im Auswärtigen Amt wird es einsam werden. Nennenswerte Personalverantwortung hatte Wadephul bisher keine.
Kommunikationsfähigkeit: Wadephul ist als Kommunikationsgenie noch nicht in den Vordergrund getreten, aber diplomatisch kann der Mann schon sein.
Fachliche Kompetenz: Seine politische Laufbahn begann der Oberleutnant der Reserve als Landesvorsitzender der Jungen Union Schleswig-Holstein; ab 2000 saß er als Abgeordneter im Kieler Landtag, seit 2009 sitzt er im Bundestag. Ein deutsches Politikerleben, erfolgreich und wenig imposant.
Budgetverantwortung: Wadephul hatte bisher keine nennenswerte Budgetverantwortung.
Herausragende Projekte: Projekte, die besonders herausstechen, sind bisher nicht bekannt.
Auslandserfahrung: Wadephuls Vita zeigt keine nennenswerte transatlantische Prägung. Kein Studienjahr, kein längerer Aufenthalt in den USA – überhaupt kein längerer Auslandsaufenthalt. In den vergangenen Monaten hat Wadephul allerdings einige wichtige Reisen absolviert, um sich mit Verbündeten abzustimmen. Immerhin.
Schulnote: 3
Katherina Reiche, Bundesministerin für Wirtschaft und Energie
Erfahrung: Die 51-Jährige saß 17 Jahre lang im Bundestag. In dieser Zeit war sie zweimal Parlamentarische Staatssekretärin – vier Jahre lang im Umweltschutz-, weitere zwei Jahre im Verkehrsministerium. Sie hat also reichlich Verwaltungserfahrung, auch in der Personalführung. Als gebürtige Brandenburgerin (Geburtsort Luckenwalde) könnte Reiche theoretisch als Stimme des Ostens durchgehen. Allerdings ist sie seit zehn Jahren nicht mehr in der Brandenburger CDU aktiv. Allein schon der Name ihres bisherigen Arbeitgebers ist für viele ein No-Go für Ostkompetenz: die E.ON-Tochter Westenergie.
Kommunikationsfähigkeit: Einerseits war es als Parlamentarische Staatssekretärin ihr Job, enge Kontakte mit Ministerien und Abgeordneten zu pflegen. Wer dort versagt, dessen Ministerium hat große Mühen, Gesetze durchs Parlament zu bringen. Dagegen hinterließ Reiche bei vielen in der heimischen CDU verbrannte Erde. Zwar galt sie eine Zeit lang als Nachwuchshoffnung der traditionell zerstrittenen Potsdamer CDU, doch immer wieder gab es Kampfkandidaturen gegen sie, und auch bei der Nominierung für den Bundestagswahlkreis erhielt sie Denkzettel aus den eigenen Reihen. Als Reiche 2015 den Bundestag verließ, trat sie auch vom Vorsitz der Potsdamer CDU zurück. Zwar erhält Friedrich Merz für Reiches Ernennung Lob von den Landeschefs Jan Redmann (Brandenburg) und Michael Kretschmer (Sachsen), doch vor allem mit der zweiten Reihe in Ostdeutschland ist die Entfremdung weit fortgeschritten.
Fachliche Kompetenz: Kurz nach ihrem Ausscheiden aus dem Parlament mitten in der Legislaturperiode wurde die Diplom-Chemikerin Reiche zunächst Hauptgeschäftsführerin beim Verband kommunaler Unternehmen – sehr zum Missfallen zum Beispiel des Vereins Lobbycontrol, der stets Karenzzeiten für den Wechsel aus der Politik in die Wirtschaft fordert. Reiche ignorierte dies und wechselte später zum Energiekonzern E.ON. Dort hält sie seit fünf Jahren den Vorsitz der Geschäftsführung des Tochterunternehmens Westenergie. Seitdem ist Reiche auch Vorsitzende des Nationalen Wasserstoffrates der Bundesregierung. Zwischenzeitlich gehörte sie außerdem dem Rat für Nachhaltige Entwicklung an. Fachkompetenz dürfte also gegeben sein, und der Kontakt in die Politik ist offenbar nie abgerissen.Budgetverantwortung: Als Staatssekretärin in zwei Ministerien war sie zumindest mitverantwortlich für große Budgets und Tausende Mitarbeiter. Der Vorstand des Energieversorgers Westenergie, dem sie seit fünf Jahren vorsitzt, wies für das Jahr 2023 einen erwirtschafteten Gesamtumsatz von rund 5,9 Milliarden Euro und Investitionen von rund 855 Millionen Euro aus. Zum selben Zeitpunkt zählte Westenergie rund 10.000 Mitarbeiter, davon etwa 800 Auszubildende.
Herausragende Projekte: Katherina Reiches Ziel gilt als größte Herausforderung der Industriegeschichte: die Dekarbonisierung des Energiesystems bis zum Jahr 2045. Doch Reiche hat noch eine weitere gesellschaftliche Entwicklung im Blick: Kaum war sie Chefin von Westenergie, wurde in dem Energieunternehmen FEMpower gegründet, eine Fortbildungsakademie für Frauen. Damit sollen Frauen im Unternehmen gestärkt werden. Außerdem gilt Reiche als Befürworterin von Frauenquoten in Vorstandsetagen.
Auslandserfahrung: Ihr Chemie-Studium begann Reiche an der Universität Potsdam, später legte sie Stationen an der Clarkson University (Bundesstaat New York, USA) und der Universität Turku (Finnland) ein.
Schulnote: 2-
Nina Warken, Bundesministerin für Gesundheit
Erfahrung: Ihre Biografie weist die 45 Jahre alte Juristin als erfahrene Politikerin aus. Die Anwältin mit Schwerpunkt Verwaltungs-, Sozial- und Zivilrecht sowie gewerblicher Rechtsschutz startete 2013 ihre Karriere als Bundestagsabgeordnete. Zu Beginn der zurückliegenden Wahlperiode zog Nina Warken per Direktmandat für den Wahlkreis Odenwald-Tauber ins Parlament ein. Sie verfügt über Erfahrung in Gremienarbeit, gehörte unter anderem dem Untersuchungsausschuss zur Pkw-Maut an, war zuletzt Parlamentarische Geschäftsführerin und Mitglied des Ältestenrats. In ihrer Partei bekleidete sie diverse Ämter. Dabei lag ihr Schwerpunkt auf juristischem und innenpolitischem Gebiet, weswegen ihre Nominierung als Ressortchefin Gesundheit eine Überraschung ist. Gleichwohl ist sie nicht die erste Juristin auf dem Posten.
Kommunikationsfähigkeit: Im Vergleich mit dem bisherigen Amtsinhaber hätte wohl jede Nachfolgerin die Chance gehabt, sich auf ihre Art vorteilhaft zu profilieren. Karl Lauterbach (SPD) fiel durch sein großes Mitteilungsbedürfnis auf, das sich in Talkshows und sozialen Medien Bahn brach. Intern galt der Minister dagegen nicht gerade als Kommunikationsgenie. Das kann durchaus für Nina Warken sprechen, wenn in ihrer Kommunikation Qualität vor Quantität geht.
Fachliche Kompetenz: Ein Bezug zum Thema Gesundheit zeigt sich im Rückblick auf die Corona-Pandemie. Nina Warken wurde 2021 in ein Covid-19-Begleitgremium berufen. Aufgabe damals: gesundheitliche, juristische und soziale Fragen der Bewältigung künftiger Pandemien erarbeiten und auf wissenschaftlicher Basis Handlungsempfehlungen geben. Ein vergleichbares Aufgabengebiet existiert auch in ihrem Ministerium. Erfahrung hat sie ebenso im Katastrophen- und Krisenmanagement als ehemalige Präsidentin des Technischen Hilfswerks (THW) in Baden-Württemberg. In ihrem neuen Amt könnte ihr helfen, dass sie mit Mechanismen sowohl auf Länderebene als auch im Bund vertraut ist, was in einem föderal organisierten Gesundheitswesen nur von Vorteil sein kann.
Budgetverantwortung: Seit 2023 ist Nina Warken Generalsekretärin der CDU Baden-Württemberg.
Herausragende Projekte: Die größten Herausforderungen ihrer politischen Karriere stehen Nina Warken in der kommenden Legislatur bevor. Die Krankenhausreform muss angeschoben werden, viele Details sind ungeklärt; das bisherige unstrukturierte Kliniksterben muss beendet, die neue Ordnung plan- und sinnvoll gestaltet und finanziell unterlegt werden. Eine finanzielle Herausforderung viel größerer Art wartet bei der Kranken- und der Pflegeversicherung, die beide in der derzeitigen Form auf ein sozialpolitisches Fiasko zusteuern. In einem Gesundheitswesen, in dem die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) pro Jahr mehr als 320 Milliarden ausgibt, existieren viele widerstrebende Interessen, die ihren Teil des Geldes abbekommen möchten und die unter einen Hut gebracht werden müssen. Wie lange Nina Warkens Vorteil währt, frei von Lobbyeinfluss in dem Metier zu sein, bleibt abzuwarten.
Auslandserfahrung: Nina Warken war von 2019 bis 2021 Integrationsbeauftragte der CDU/CSU-Fraktion.
Schulnote: 2-
Patrick Schnieder, Bundesminister für Verkehr
Erfahrung: Angeblich ist das Steckenpferd von Patrick Schnieder die Verkehrspolitik. Aufgefallen ist der Volljurist und ehemalige Bürgermeister von Arzfeld aber bisher vor allem als emsiger Parlamentarier. Seit 2009 sitzt er im Bundestag, seit 2018 ist er parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion. Vorher war er Generalsekretär der CDU Rheinland-Pfalz. Führungserfahrung hat er also. Ob er auch das Zeug zum Bundesminister hat, muss er erst noch unter Beweis stellen.
Kommunikationsfähigkeit: Schnieder sieht sich selbst als einen Eiffelturm. So zumindest nennt der 2,02 Meter große Eifeler seinen Podcast: „Eifelturm-Talk“. Dort spricht er mit den Granden seiner Partei, Thorsten Frei, Julia Klöckner oder Philipp Amthor. Besonders viele Zuhörer erreicht er damit allerdings nicht. Er gilt als verlässlich. Und als bürgernah. In seinem Wahlkreis Bitburg holte er das beste Erststimmenergebnis von ganz Rheinland-Pfalz. Zumindest seine Wähler kann er kommunikativ also offenbar überzeugen.
Fachliche Kompetenz: Schnieder war zwar im Verkehrsausschuss im Bundestag und hat nach eigenen Angaben wichtige Infrastrukturprojekte für seine Region angestoßen. In Anbetracht der gigantischen Herausforderungen, vor denen Deutschland infrastrukturell steht, ist das allerdings ein bisschen wenig. Man hätte sich einen visionären Verkehrsvollprofi gewünscht, der endlich Antworten auf marode Brücken und katastrophale Bahnbedingungen findet.
Budgetverantwortung: Als Bürgermeister verwaltete Schnieder den Haushalt der Verbandsgemeinde Arzfeld. Jetzt wartet eine Mammutaufgabe auf ihn: das 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Infrastruktur. Konkrete Erfahrung mit Großbudgets fehlt, doch seine politische Erfahrung verspricht zumindest solides Management.
Herausragende Projekte: Keine bekannt.
Auslandserfahrung: Als Vorsitzender der Parlamentariergruppe Belgien-Luxemburg und Mitglied der Deutsch-Italienischen Gruppe knüpft er grenzüberschreitende Kontakte. Größere Auslandsaufenthalte sind aber nicht bekannt.
Schulnote: 3-
Alois Rainer, Bundesminister für Landwirtschaft
Erfahrung: Rainer stammt, selbst für bayerische Verhältnisse, aus einer Gegend mit einer hohen Bauerndichte – dem Bayerischen Wald. Er ist kein Lehrer oder Jurist, wie viele Berufspolitiker, sondern gelernter Metzger. Den kleinen Betrieb leitet er noch heute zusammen mit seinem Bruder. Allerdings ist die Familie eine echte CSU-Dynastie: Alois Rainer senior saß schon für die CSU im Bundestag, die bekannteste Politikerin in der Familie war bisher Rainers Schwester, die ehemalige Bau- und Gesundheitsministerin Gerda Hasselfeldt.
Kommunikationsfähigkeit: Sagen wir so, als großer Bierzeltredner ist er in der CSU bisher nicht aufgefallen.
Fachliche Kompetenz: Der Münchner Merkur kolportiert den Söder-Satz: „Auf den grünen Vegetarier Özdemir folgt der schwarze Metzger Rainer.“ Sein Beruf wird ein, vielleicht sogar der ausschlaggebende Punkt für die Ernennung sein. Außerdem: Nach der Absage von Wunschkandidat Günther Felßner brauchte man jemanden, der zumindest über Grundkenntnisse im Ressort verfügt.
Budgetverantwortung: Rainer war 18 Jahre Bürgermeister seiner Heimatgemeinde – und auch im reichen Bayern muss man in diesem Amt lernen, den Euro das eine oder andere Mal umzudrehen.
Herausragende Projekte: Keine, die über die Grenzen des Freistaats hinaus bekannt wären.
Auslandserfahrung: Keine bekannt – nur so viel: Den Niederbayern Rainer kennen selbst mit der CSU vertraute Insider in München nicht.
Schulnote: 3
Karsten Wildberger, Bundesminister für Digitalisierung und Staatsmodernisierung
Erfahrung: Karsten Wildberger bringt frischen Wind ins Kabinett: promovierter Ingenieur aus Aachen, Strategieberater bei BCG, Vorstand bei E.ON, Aufsichtsrat beim renommierten Forschungszentrum Jülich. Fachlich steht er für das, was Deutschland lange gefehlt hat: Technologiekompetenz kombiniert mit Führungserfahrung in großen Organisationen. Politische Ämter hat Wildberger bislang nicht ausgefüllt – vielleicht ist genau das sein größter Vorteil. Verwaltung neu denken statt Verwaltung verwalten: Wer, wenn nicht ein Ex-Manager, könnte das schaffen? Er war in einer Leitungsposition im CDU-Wirtschaftsrat. Da hat er Politikluft geschnuppert und dort müsste er auch Merz aufgefallen sein. Eine Personalentscheidung, für die man Merz besonders loben muss.
Kommunikationsfähigkeit: Wildberger gilt als analytisch, klar und schnörkellos. Präsentationen, Strategiemeetings, Aktionärsversammlungen – hier hat er gelernt, auf den Punkt zu kommen. Politik aber folgt eigenen Regeln. Zuhören, vermitteln, manchmal auch bremsen – Fähigkeiten, die Wildberger erst entwickeln muss. Verwaltung ist eben kein Quartalsbericht.
Fachliche Kompetenz: Digitalisierung, Effizienz, Transformation – für Wildberger keine Schlagworte, sondern Berufserfahrung. Er hat Unternehmen neu aufgestellt, Systeme durchdrungen, Prozesse gestrafft. Ob der Schwung aus der Konzernwelt reicht, um die oft zähen Verwaltungsstrukturen zu modernisieren, wird ein echter Stresstest – für ihn und für die Behörden.
Budgetverantwortung: Milliardenbudgets gehören für Wildberger zum Alltag. Planung, Steuerung, Controlling – Routine. Aber: Politik ist kein CFO-Meeting. Hier zählen Mehrheiten, Überzeugungskraft und Fingerspitzengefühl mindestens so viel wie Tabellenkalkulationen. Wie gut Wildberger diese Klaviatur beherrscht, wird sich zeigen.
Herausragende Projekte: Wildberger hat bei Telstra in Australien und bei Ceconomy in Deutschland gezeigt, dass er große Systeme umbauen kann. Transformationsprojekte, Restrukturierungen, Digitalisierung: All das bringt er mit. In der öffentlichen Verwaltung fehlen ihm naturgemäß die Erfahrungen. Dafür aber vielleicht auch die eingefahrenen Denkmuster, die oft echten Wandel verhindern.
Auslandserfahrung: Stationen in Australien, Großbritannien und Rumänien haben seinen Blick geweitet. Internationale Vergleiche, pragmatische Lösungen, wenig Geduld für deutsche Kleinteiligkeit – das könnte helfen, um die deutsche Verwaltung aus ihrem Dornröschenschlaf zu wecken.
Schulnote: 1
Dorothee Bär, Bundesministerin für Forschung, Technologie und Raumfahrt
Erfahrung: Dorothee Bär hat keine naturwissenschaftliche Ausbildung und war bisher in keinem relevanten Forschungsbereich tätig. Zumindest einen Hauch von Erfindergeist bewies Dorothee Bär, als sie gemeinsam mit dem Unternehmer Frank Thelen den Innovationsrat der Bundesregierung leitete – ein Beratungsgremium zur Digitalisierung, das zwischen 2018 und 2021 halbjährlich tagte. Politisch ist sie ein CSU-Schwergewicht.
Kommunikationsfähigkeit: Bär gilt als kluge Rednerin und geschickte Taktiererin, in Bayern ist sie bei der Bevölkerung beliebt.
Fachkompetenz: Bär soll begehrte Forschungsaufträge wie KI-Projekte nach Bayern holen. Bisher hat sie sich vor allem dadurch einen Namen gemacht, dass sie immer hinter Söder stand. Jetzt zahlt sich das aus, sie bekommt einen Ministerposten. Mit Forschung hatte sie bisher nichts am Hut. Aber: Man sollte sie nicht auf ihr Aussehen und ihren fränkischen Akzent reduzieren. In der Männerdomäne CSU hat sie sich hochgearbeitet, das ist schon was.
Haushaltsverantwortung: Dorothee Bär hatte bisher keine nennenswerte Haushaltsverantwortung, wie sie für ein Ministeramt erforderlich wäre. Ihre Aufgaben konzentrierten sich auf politische Koordination und strategische Planung, nicht aber auf die Verwaltung großer Budgets.
Herausragende Projekte: Dorothee Bär war maßgeblich an der Entwicklung der Datenstrategie der Bundesregierung beteiligt, die im Januar 2021 verabschiedet wurde. Die Strategie umfasst rund 240 Maßnahmen und hat zum Ziel, Deutschland als führenden Standort für Dateninnovationen zu etablieren.
Auslandserfahrung: Bär war von 2005 bis 2009 Mitglied des Auswärtigen Ausschusses. In dieser Funktion war sie unter anderem stellvertretende außenpolitische Sprecherin ihrer Fraktion und Mitglied der Deutsch-Koreanischen sowie der Deutsch-Schweizerischen Parlamentariergruppe.
Schulnote: 3-
Wolfram Weimer, Staatsminister für Kultur und Medien
Biografische Eignung: Weimer stammt aus Südhessen, er ist der Sohn eines Religionslehrers, ging zeitweise in Portugal zur Schule. An der Goethe-Universität erwarb er einen Magister Artium. Als Journalist stieg er schnell auf, nach Stationen unter anderem bei der dpa und der FAZ wurde er Chefredakteur der Welt und der Berliner Morgenpost. Später gründete Weimer das Magazin Cicero und war Chefredakteur des Focus. 2012 machte er sich als Medienunternehmer mit seiner Ehefrau Christiane Goetz-Weimer selbstständig (Weimer Media Group). Er hat Personalerfahrung aus großen Konzernen (Springer, Burda) und seinem eigenen, deutlich kleineren Unternehmen. Diese Erfahrung wird er beim Umgang mit dem Kulturapparat brauchen.
Kommunikationsfähigkeit: Der neue Staatsminister ist in seiner Sprache leiser als in seinem Wort. Weimer ist deutlich in seinen Aussagen, aber kein Lautsprecher. Er ist ein guter Geschichtenerzähler, der gerne lacht.
Fachliche Kompetenz: Beim Medienteil des Amtes besteht keine Frage – Weimer ist Medienvollprofi. Unter seinen Bekannten gilt er als Feingeist mit einem Faible fürs Feuilleton. Die Linksintellektuellen im Kulturbetrieb würde der konservative Weimer aber selbst dann nicht begeistern, wenn er Professor der Kunstgeschichte wäre.
Budgetverantwortung: Weimer kennt sich mit Geld aus, er verantwortete zum Beispiel bei Springer ein großes Budget – als Unternehmer verdient er seit einigen Jahren sein eigenes und davon nicht wenig, wie man hört.
Herausragende Projekte: Mit dem Ludwig-Erhard-Gipfel schuf er das deutsche Gegenstück zum WEF in Davos – sozusagen aus dem Nichts. So einen privatwirtschaftlichen Erfolg kann kein anderer Minister vorweisen.
Auslandserfahrung: Vorhanden, neben der Schule in Porto war Weimer zum Beispiel Auslandskorrespondent der FAZ in Madrid. Englisch, Spanisch und Portugiesisch spricht er fließend.
Schulnote: 2+
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