Kommentar: Der neue Kulturminister Wolfram Weimer ist eine kluge Wahl

Die Personalie Weimer begann für Friedrich Merz mit einem „Nein“. Nach Informationen der Berliner Zeitung wollte der künftige Kanzler den Ex-Welt- und Ex-Focus-Chefredakteur als Regierungssprecher ins Kanzleramt holen. Weimer winkte ab – warum genau, ist nicht bekannt. Vielleicht weil Friedrich Merz jemand ist, der nicht immer auf den Rat seiner Kommunikationsexperten hört – wir erinnern uns an „kleine Paschas“. Oder weil Wolfram Weimer aus seiner Erfahrung in Konzernen weiß, dass zwei Alpha-Tiere vielleicht privat gut harmonieren, im Beruf miteinander aber große Probleme haben können. Als dann Joe Chialo, der in der CDU lange als gesetzt galt, ins Wanken geriet, wurden die Drähte zwischen den beiden Nachbarn am Tegernsee wieder heiß. Zur Überraschung vieler sagte Weimer diesmal zu.
Der erste Minister, der das Amt nicht wegen der Vorzüge übernimmtDas sagt einiges über den über 1,90 Meter großen Weimer aus: Er wollte nicht um jeden Preis nach Berlin. Der gebürtige Südhesse ist überhaupt der erste Minister der bundesdeutschen Neuzeit, der das Amt nicht fürs Geld oder die Vorzüge macht – oder es nötig hätte. Weimer hatte besser dotierte Jobs in der Privatwirtschaft und ist als Unternehmer ungemein erfolgreich. Über den ehemaligen Kulturminister Julian Nida-Rümelin gibt es die Anekdote, dass er im Kanzleramt den Spitznamen „Nie da“ hatte. Grund war die Reisefreudigkeit des Münchner SPD-Politikers, der gerne auch obskure Kulturereignisse anflog. Weimer hat das nicht nötig. First-class, Einladungen und Buffets sind nichts Neues für ihn oder langweilen ihn wohl eher. Weimer ist ein Macher, der mit dem Ludwig-Erhard-Gipfel ein Wirtschaftsforum geschaffen hat, das dem Vergleich mit dem WEF in Davos mittlerweile standhalten kann.
Den medialen Aufgaben in seinem Amt ist Weimer auf jeden Fall gewachsen. Was die Kultur angeht – zwei Gedanken. Erstens: Einen Konservativen als Kulturminister würden die Linksintellektuellen aus dem Kulturbetrieb ablehnen, egal welche Expertise er nun hat. Zweitens: Selbst Linksintellektuelle können wohl kaum behaupten, dass die Amtszeit von Claudia Roth ein Erfolg war. Weimer soll den Kulturbetrieb nach den Vorfällen, die es besonders rund um das Thema Antisemitismus gab, befrieden. Dafür bringt Weimer einige Qualifikationen mit: Er ist weltgewandt, belesen, er hat Humor. In der Sache aber ist Weimer knallhart und steht zu seinen Überzeugungen. Den Springer-Verlag hat er besonders geprägt, weil er Konfrontationen mit Verlagschef Mathias Döpfner nie aus dem Weg ging. Das war Friedrich Merz wichtig, gesucht war ein Mann, der einen weiteren Skandal wie bei der Documenta verhindert, weil er auf Augenhöhe mit den Machern der Kulturbranche parlieren kann.

Als leitender Angestellter und Unternehmer hat Weimer rechnen gelernt. Vielleicht kann er, trotz der zu erwartenden Einsparungen in seinem Ressort, mit dem ein oder anderen Budget-Kniff kulturelle Überraschungen kreieren. Menschen, die Weimer kennen, sagen, dass er den Job als Kulturminister wirklich machen will und man hört, dass er die Leitung seines eigenen Unternehmens komplett an seine Frau Christiane Goetz-Weimer übergeben wird. Ist also alles eitel Sonnenschein? Das nicht unbedingt, denn Weimer wird den Kompromiss lernen müssen. In seiner Vita war Kompromissfähigkeit bisher nicht unbedingt gefragt. Auch wird sich Weimer in der linksliberal geprägten Kulturszene erst einmal so richtig vorstellen müssen. In seinen bisherigen Betätigungsfeldern war das nie gefragt, in der Medienbranche klingt der Name Weimer wie Donnerhall.
Die Personalie ist aber um Längen besser, als sie jetzt in den Feuilletons der großen Medien besprochen wird. Wann gab es in der deutschen Politik mal eine Besetzung, die nicht nach Proporz erfolgte? Welcher Minister kann wirkliche Erfolge in der Privatwirtschaft vorweisen? Welcher Minister kann von sich behaupten, dass die finanzielle Komponente absolut nachrangig ist? Und wer begibt sich vom feinen Tegernsee freiwillig in die Untiefen des Berliner Kulturbetriebs? Antwort: Jemand, der Mut hat, jemand, der wirklich etwas verändern will. Deshalb glaube ich, dass Wolfram Weimer eine gute Wahl für das Amt ist. Ich glaube sogar, dass er viele überraschen wird. Ich habe über das Wirken von Friedrich Merz selten positiv geschrieben, hier muss ich dem künftigen Kanzler zugestehen, dass er eine nachvollziehbare und kluge Entscheidung getroffen hat.
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Berliner-zeitung