Großer Zapfenstreich für Kanzler: Olaf Scholz scheidet versöhnlich aus dem Amt

Mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet die Bundeswehr Olaf Scholz zum Ausklang seiner vorzeitig endenden Amtszeit. Das zivilisierte Ende würdigt der Sozialdemokrat als kostbares Gut und wünscht seinem Nachfolger eine glückliche Hand.
Der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz hat den unmittelbar bevorstehenden Regierungswechsel in seiner Abschiedsrede als "Ausdruck demokratischer Normalität" gewürdigt. Es sei in diesen Zeiten "keineswegs normal, dass sich ein solcher Wechsel so zivilisiert, so kollegial und so anständig vollzieht, wie wir das in diesen Tagen hier in Deutschland erleben", sagte der SPD-Politiker vor dem Großen Zapfenstreich, mit dem die Bundeswehr ihn am Vorabend der geplanten Amtsübergabe an seinen designierten Nachfolger Friedrich Merz von der CDU würdigt.
Diesen zivilen Umgang unter Demokratinnen und Demokraten gelte es zu schützen und zu bewahren. "Denn er ist kostbar", sagte Scholz. Demokratie bedeute zwar nicht, dass alle immer einer Meinung sein müssten. Aber sie brauche ein grundlegendes Verständnis von Solidarität untereinander. "Ein Verständnis von Gemeinsamkeit, die wir trotz unserer unterschiedlichen Ansichten, Herkunft und Überzeugungen in unserem Land teilen - und wonach Deutschland dann - und nur dann - stark ist, wenn wir es zusammenhalten."
Seinem designierten Nachfolger Merz, der gemeinsam mit seiner Frau Charlotte in der ersten Reihe saß, wünschte Scholz für alle Aufgaben und Herausforderungen "viel Erfolg, Fortüne und eine glückliche Hand". "In schweren Stunden, die es sicherlich ebenfalls geben wird, wünsche ich Ihnen Begegnungen, aus denen Sie Kraft und Zuversicht schöpfen können." Er selbst habe solche Begegnungen immer wieder mit Bürgerinnen und Bürgern gehabt, "die Zusammenhalt über Spaltung stellen". "Ein Land, das solche Bürgerinnen und Bürger hat, muss keine Angst vor der Zukunft haben."
"Respect" als AbschiedssongDer Zapfenstreich ist eine Militärzeremonie, mit der traditionell alle Kanzler, Bundespräsidenten, Verteidigungsminister und hochrangige Militärs verabschiedet werden. Dabei dürfen die Geehrten drei Musikwünsche äußern. Scholz hatte sich für "In My Life" von den Beatles, einen Auszug aus dem "2. Brandenburgischen Konzert" von Johann Sebastian Bach und den Soul-Klassiker "Respect" entscheiden, der in der Version von Aretha Franklin ein Welthit wurde.
Respekt war das zentrale Schlagwort von Scholz' erfolgreichem Bundestagswahlkampf 2021. Dem Bundestag wird Scholz auch nach seinem Ausscheiden als Kanzler angehören. Er hat ein Direktmandat in Potsdam gewonnen und will es bis zum Ende der Wahlperiode wahrnehmen.
Für Lindner gehen väterliche Pflichten vorAuf der Tribüne kam die zerbrochene Ampel-Koalition noch einmal zusammen - zumindest zum Teil. Die ehemaligen FDP-Minister Marco Buschmann und Bettina Stark-Watzinger erwiesen Scholz die Ehre. Der frühere Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner, den Scholz im erbittert geführten Ampel-Streit über den Haushalt entlassen hatte, blieb der Abschiedszeremonie dagegen fern. "Meine Abwesenheit hat keinen politischen Hintergrund. Heute Abend gehen väterliche Pflichten vor", schrieb er auf X zur Begründung.
Vizekanzler Robert Habeck von den Grünen war dagegen ebenso dabei wie Außenministerin Annalena Baerbock. Sogar die frühere Verteidigungsministerin Christine Lambrecht, die nach massiver Kritik ihren Rücktritt bei Scholz eingereicht hatte, kehrte an ihre alte Wirkungsstätte zurück. Zum Abschied gab es langen Applaus für Scholz, bevor er mit seiner Wagenkolonne vom Paradeplatz des Ministeriums fuhr.
Nur Erhard und Kiesinger waren kürzer im AmtWenn Scholz am Dienstag ausscheidet, waren mit Ludwig Erhard (1963 bis 1966) und Kurt Georg Kiesinger (1966 bi 1969) nur zwei von acht Vorgängern kürzer im Amt als er. Was von seiner Kanzlerschaft bleibt, werden nach seinem Abschied die Historiker unter sich klären. Langfristig erinnern wird man sich auf jeden Fall an seine Zeitenwende-Rede im Bundestag vier Tage nach der russischen Invasion in der Ukraine. Scholz brach damals mit dem Tabu, keine Waffen in laufende Kriege zu liefern und setzte ein 100 Milliarden schweres Sondervermögen für die Bundeswehr auf - ein historischer Moment, der das Land verändert hat.
Bleiben wird aber auch, dass das Experiment der ersten Ampel-Koalition auf Bundesebene aus SPD, FDP und Grünen krachend gescheitert ist. Scholz wollte daraus ein Projekt für mehr als eine Legislaturperiode machen. Die Ampel zerbrach jedoch, bevor sie drei Jahre alt wurde - an endlosen Streitereien vor allem über die Finanzen.
Vom Kanzleramt auf die HinterbankScholz wird nun vom Kanzleramt auf die Hinterbank des Bundestags wechseln und will dort als direkt gewählter Abgeordneter in seinem Wahlkreis Potsdam auch die ganze Legislaturperiode bleiben. "Das höchste Amt, in das man in Deutschland direkt gewählt werden kann, ist das des Abgeordneten im Deutschen Bundestag", hat er schon vor der Wahl als Begründung gesagt.
Auf ein bisschen mehr Freizeit freut er sich aber auch. "Ausschlafen würde ich gerne öfter", hat er mal in einem "Zeit"-Podcast verraten. Ab Mittwoch ist Zeit dafür.
Quelle: ntv.de, mau/dpa
n-tv.de