Gaza-Krieg | Kritik ohne Konsequenzen
Seit Tagen werden Forderungen an die Bundesregierung lauter, wegen der Lage im Gazastreifen den Druck auf Israel zu erhöhen. Die Forderungen reichen von einem Stopp von Waffenlieferungen bis zur Aussetzung des EU-Assoziierungsabkommens mit Israel. Das Sicherheitskabinett fasste dazu am Montag keine Beschlüsse. Kanzler Friedrich Merz (CDU) sagte aber danach, die Bundesregierung behalte sich solche Schritte vor – und hat seinen Außenminister in den Nahen Osten entsandt.
Johann Wadephul (CDU) reist zum zweiten Mal nach Israel, seine Vorgängerin war nach beginn des Gaza-Kriegs mehr als zehnmal dort, erreicht hat sie aber de facto nichts. Ob Wadephul mehr Glück hat? Ende Mai schloss er sogar einen teilweisen Lieferstopp von Waffen an Israel nicht aus und machte dies von der Lage im Gazastreifen abhängig. Dann aber ruderte er wieder zurück. Auch der deutsche Außenminister ist offensichtlich fest an die deutsche Staatsräson gebunden, die Israels Sicherheit über alles stellt.
Nach Gesprächen in Jerusalem mit seinem israelischen Kollegen Gideon Saar, Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Staatschef Isaac Herzog ließ Wadephul verlauten, »eine fundamentale Verbesserung der Situation für die Menschen im Gazastreifen« sei nötig. Das habe er seinen Gesprächspartnern gegenüber zum Ausdruck gebracht. »Ich habe den Eindruck, dass das heute verstanden wurde«, so sein Fazit vor Journalisten nach den Gesprächen.
Vermeiden wolle er, dass sich wegen der Ankündigung mehrerer Staaten zur einseitigen Anerkennung eines Palästinenserstaates – wovon Deutschland bekanntlich nichts wissen will – »eine Kluft zwischen der Europäischen Union und Israel auftut«, betonte der Minister. »Diese Gefahr besteht«, beide Seiten müssten »daran mitwirken, dass dies nicht geschieht«. »Aber es ist eben auch klar, dass beide Seiten etwas dafür tun müssen.« Sein Auftrag sei es gewesen, der israelischen Seite zu sagen, »dass sie jetzt handeln muss und nicht erst irgendwann«.
Sanktionen gegen israelische Regierungsmitglieder, wie sie unter anderem von den Grünen gefordert werden, will die Bundesregierung nicht mittragen. Wadephul hat sich nur gegen die Gewalt der jüdischen Siedler im Westjordanland gewandt. Beim Besuch eines palästinensisch-christlichen Dorfs in Westjordanland hat der Bundesaußenminister die Gewalt von extremistischen jüdischen Siedlern in dem Palästinensergebiet scharf verurteilt. »Das sind keine Einzelfälle. Solche Taten nehmen immer mehr zu«, sagte der CDU-Politiker am Freitag, nachdem ihm Bewohner des Dorfes Taibe derartige Angriffe geschildert hatten. »Ich möchte hier ganz klar sagen: Solche Taten sind Verbrechen. Sie sind Terror. Und sie gehören endlich polizeilich verfolgt.«
Der deutsche Außenminister besuchte auch die palästinensische Autonomieregierung. Bei einem Treffen mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas im Westjordanland bekräftigte Wadephul am Freitag die deutsche Haltung bezüglich der Anerkennung eines Palästinenserstaates und stärkte der Autonomiebehörde den Rücken, indem er die israelische Regierung vor der Inbesitznahme des Westjordanlands warnte, wie es einige Politiker der Netanjahu-Regierung fordern. »Jegliche Annexionsfantasien, sei es für Gaza oder für das Westjordanland, die auch von Teilen der israelischen Regierung hervorgebracht werden, lehnen wir klar ab«, sagte der CDU-Politiker. »Sie würden von Deutschland nicht anerkannt werden.«
Er kündigte zusätzliche fünf Millionen Euro für das UN-Welternährungsprogramm (WFP) für humanitäre Hilfe im Gazastreifen an. »Damit werden unter anderem Bäckereien und Suppenküchen unterstützt«, sagte er. In den von Israel eingerichteten täglichen temporären Kampfpausen für Teile des Gazastreifens müssten nun wieder Güter durch die Uno verteilt werden, forderte er außerdem.
Die Bundesregierung wird nach den Worten von Bundeskanzler Friedrich Merz in Kürze über das weitere Vorgehen im Gaza-Konflikt entscheiden. Er erwarte nun einen Bericht von Wadephul am Samstag, sagte Merz in Saarbrücken auf die Frage, ob die Bundesregierung sich eine Beteiligung an Sanktionen gegen Israel vorstellen könne. »Wir werden diesen Bericht abwarten und alle weiteren Entscheidungen treffen«, sagte der Kanzler. Die Regierung habe bereits am vergangenen Montag im Sicherheitskabinett »auch darüber gesprochen, wie wir gegebenenfalls mit den europäischen Partnern zusammen weiter vorgehen«.
Bis dahin isoliert sich Deutschland mit seiner abwartenden Haltung immer weiter von einer Weltgemeinschaft, die in Israels Kriegsführung im Gazastreifen mindestens Spuren einer genozidalen Vernichtung des palästinensischen Volks erkennt. Mit Agenturen
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