Holger Friedrich: Warum ich trotzdem für die Freiheit weiterkämpfe

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Holger Friedrich: Warum ich trotzdem für die Freiheit weiterkämpfe

Holger Friedrich: Warum ich trotzdem für die Freiheit weiterkämpfe

Der Verleger wurde mit jeder Denunziation überzogen: Putin-Knecht, Corona-Leugner, Antisemit. Hier schreibt er, warum er trotzdem weiterkämpft.

Podiumsgespräch zur Rolle der Medien mit Holger Friedrich in Zella-Mehlis (Thüringen).ari/imago

Seit dem Kauf des Berliner Verlags habe ich viel über Medien als Macht-Werkzeuge gelernt. Ich konnte erfahren, welche Tragweite Äußerungen und Handlungen haben, wenn sie über die Reichweite eines Mediums verfügen. Auch habe ich gelernt, wie es sich anfühlt, Beißreflexe eines etablierten Systems auszulösen, wenn dessen Orthodoxien infrage gestellt und der exklusive Zugang zu diesem System geöffnet wird.Unmittelbar nach dem Erwerb des Verlags 2019 begegneten Branche und Öffentlichkeit mir und meiner Familie noch mit vorsichtiger Neugier. Diese Neugier schlug jedoch bald in Ablehnung um, als wir signalisierten: Ein „Weiter so“ werde es mit uns nicht geben. Wir wollten Machtgefälle nivellieren, umfassender informieren, unfair Ausgegrenzten Zugang verschaffen und die Meinungsfindung auf die Seite der Leser verlagern. Im besten Sinne Pressefreiheit ermöglichen. Wir wollten helfen, die wachsenden Unterschiede zwischen erlebter und veröffentlichter Realität zu verringern.

Für den sich bald aufbauenden Konflikt brauchte es nicht viel. Es genügten die in jedem Umbruch unvermeidlichen internen Auseinandersetzungen und ein größerer Artikel, in dem wir zu erklären versuchten, wofür wir stehen und wie wir die vor uns liegenden Herausforderungen angehen wollen. Kurz darauf schienen einige Kollegen in den Redaktionen der Mitbewerber zu dem Schluss gekommen zu sein: So einer wie Friedrich darf keine Zeitung besitzen.

Meine falsch dargestellte Stasi-Geschichte

Was folgte, war eine erste groß angelegte Diskreditierungskampagne. Christian Meyer und Uwe Müller von der Welt meinten enttarnt zu haben, dass ich etwas mit der Stasi zu tun hatte; dass ich als Jugendlicher von der Stasi in die Ecke manövriert worden war, dass ich mich genötigt sah, das Lippenbekenntnis einer Zusammenarbeit abzugeben.Dieser Umstand war kein Geheimnis. Die Stasi hat sich seit meinem 16. Lebensjahr für mich interessiert, die Observation endete mit meinem 23. Lebensjahr, erst wenige Tage vor dem Mauerfall. Viele in meinem Umfeld kannten die Stories. Insofern gab es zwei Akten, einen größere „Opferakte“ mit Hunderten Seiten, angelegt über einen Zeitraum von über 6 Jahren, und eine „Täterakte“ mit ca. 120 Seiten über anderthalb Jahre. Als IM habe ich vier konspirative Treffen von Juni bis August 1988 hinter mich bringen müssen. Im Sommer 1988 habe ich die weitere Zusammenarbeit gegenüber der Stasi verweigert und mich gegenüber meinem Umfeld weitergehend dekonspiriert.Im Übrigen fand die eskalierende Episode während meines Wehrdienstes statt. Laut Stasi-Unterlagen-Gesetz wäre eine Verwertung durch die Presse gar nicht zulässig gewesen.Der Zeitung Die Welt standen aus der „Täterakte“ schmale 80 Seiten zur Verfügung. Selbst in diesem Auszug war noch leicht herauszulesen, dass eine schrittweise Eskalation zwischen den Ermittlern der Stasi und mir dazu führte, dass ich unfreiwillig mit der Stasi kooperieren musste und dass ich gleichzeitig diese Kooperation erfolgreich abwürgte – was einige in der Akte erwähnte Personen später gegenüber Zeit, FAZ, Spiegel und selbst der New York Times bestätigten.Dies bestätigte auch das Gutachten einer unabhängigen Kommission. Der Deutschlandfunk berichtete unter der Überschrift „Stasi-Gutachten entlastet Holger Friedrich“: „Friedrich wird bei einem Urlaub mit seiner Freundin 1987 von 16 Leuten überwacht, später verschafft die Stasi sich mit einem Nachschlüssel Zugang zu seiner Wohnung, um Material zu kopieren. Was eine Erklärung sein könnte, warum Friedrich in der ,Kontaktierungsphase‘ bemüht war, den Anforderungen des MfS an eine inoffizielle Zusammenarbeit gerecht zu werden‘.“

Doch Die Welt wollte eine andere Story. Viele Medien griffen die Geschichte auf, ohne sie selbst zu überprüfen. Nach dem ersten Aufschlag an einem Freitagabend brachten fast alle deutschen Zeitungen am nächsten, darauffolgenden Samstagmorgen einen Bericht über die „Stasi-Geschichte des neuen Verlegers der Berliner Zeitung“. So, wie sie in den Medien berichtet wurde, so wie sie bis heute in Wikipedia, neben anderen Unwahrheiten steht, stimmt sie jedoch nicht. Wenn Wikipedia ihren eigenen Standards folgen würde, müsste sie die Publikation der Seite aussetzen.

„Es bleibt nichts, wie es ist“: Holger Friedrich mit Bernd Hilder im Gespräch auf Schloss Ettersburg bei Weimar.
„Es bleibt nichts, wie es ist“: Holger Friedrich mit Bernd Hilder im Gespräch auf Schloss Ettersburg bei Weimar.Markus Wächter/Berliner Zeitung
Womit die Berliner Zeitung recht hatte

Das ungerechtfertigte Label des „Stasi-Verlegers“ wird auch heute noch, wenn man kein Argument findet, immer wieder als Schmähung benutzt. Die Ergebnisse der unabhängigen Kommission sind nicht im Interesse derer, die den Vorwurf gegen mich in Stellung bringen wollten, noch hätte es ihrer Story entsprochen.

Dass das kein singuläres, nur mich betreffendes Muster ist, zeigen ähnliche Versagensmomente der Medien. Jeder von uns kennt mindestens drei Storys, in denen die Protagonisten durch das Agieren der Presse schwer beschädigt wurden. Meine drei Fälle sind Thomas Oberender durch den RBB, Jörg Schönbohm durch Jan Böhmermann und das ZDF und die unsägliche und bis heute nicht korrigierte Berichterstattung des MDR über einen erfundenen Mord eines DDR-Vertragsarbeiters, den Fall Diogo. Aufgearbeitet von meiner Kollegin Anja Reich in der Berliner Zeitung.

In meinem Fall folgte eine Diskreditierung auf die andere. Als wir einzelne Maßnahmen während der Corona-Pandemie, wie etwa Schulschließungen, die Maskenpflicht an der frischen Luft oder die Impfpflicht hinterfragten, wurde uns vorgeworfen, das Virus zu leugnen. Heute ist es Konsens, dass viele Maßnahmen nicht zielführend waren, zum Teil sogar nachhaltigen Schaden anrichteten.Als ich mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán sprach, wurde mir vorgeworfen, ihm dürfe man keine Bühne bieten, und zu lernen gäbe es in einem solchen Gespräch ohnehin nichts. Orbáns zentrale und unerhörte Botschaft aus dem damaligen Gespräch, der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine könne nur zwischen Russland und den USA beigelegt werden, gilt heute als Common Sense.Als wir aus China berichteten, dass Entwicklungen dort den Kern unserer wirtschaftlichen Basis bedrohen, erfolgte ein Aufschrei und der Vorwurf der Verherrlichung kollektiver Gesellschaftsentwürfe. Heute sehen wir die Verheerungen in Bilanzen deutscher Automobilkonzerne, deren Verkäufe in China eingebrochen sind und die sich auf weltweiten Märkten innovativer chinesischer Konkurrenz ausgesetzt sehen.

Wenn wir versuchten, die Zusammenhänge der russischen Aggression gegenüber der Ukraine zu ergründen, nicht zu entschuldigen, wurde uns vorgeworfen, wir seien Putin-Versteher und verbreiteten Kreml-Narrative. Mittlerweile werden unsere Prognosen durch die bittere Wirklichkeit bestätigt.

Verstörende Erinnerungen

Heute, nach dem Erwerb der Rechte an der Weltbühne, finde ich mich in einer ähnlichen Situation wieder. Nicholas Jacobsohn, Enkel des Weltbühne-Gründers Siegfried Jacobsohn, wirft mir vor, ihn unredlich um sein Erbe gebracht zu haben. Dass dies nicht stimmt, ist leicht nachweisbar und wird in der Berliner Zeitung in Kürze aufgezeigt werden.Gleichzeitig sorgt ein Beitrag der ersten Ausgabe der Weltbühne-Neuauflage für Furore, in dem Deborah Feldman fragt, wieso Philipp Peyman Engel, Chefredakteur der Jüdischen Allgemeinen, wesentliche Teile seiner Biografie, nennen wir es, unterbelichtete.Womit ich nicht gerechnet hätte, ist, dass mir neben all dem Vorgenannten nun auch noch vorgeworfen wird, ich sei Antisemit. Das Vorgehen dabei erinnert mich verstörend an das, was ich nach dem Erwerb des Berliner Verlags erlebt habe.

Die taz legte am Samstag vor. Sie bezieht sich auf eine Äußerung von mir während eines Gesprächs auf Schloss Ettersberg, in dem ich mich erfreut darüber gezeigt hatte, mich nach anfänglichen Versuchen der konstruktiven Zusammenarbeit schließlich im Ringen um die Markenrechte der Weltbühne als „Ostdeutscher“ gegen „Ostküsten-Geldadel“ durchgesetzt zu haben. „Ostküsten-Geldadel“ könne als antisemitische Chiffre gelesen werden. Für mich war es eine geografische Verortung des Lebensmittelpunktes meines Kontrahenten. Er lebt an der US-Ostküste in Boston. Und als Börsenhändler sollte er in den Hierarchien der Finanzmarktindustrie zur gehobenen Einkommensklasse gehören.

Die Jüdische Allgemeine schickt mir mit Bezug auf den taz-Artikel noch am Freitag eine Aufforderung zur Stellungnahme, vermutlich um den Punkt „Antisemit“ verstärken zu können.

Bernd Hilder stellt auf Schloss Ettersburg Die Weltbühne vor.
Bernd Hilder stellt auf Schloss Ettersburg Die Weltbühne vor.Markus Wächter/Berliner Zeitung
Warum ich imperiale Reflexe ablehne

Ich habe der Jüdischen Allgemeinen mitgeteilt, dass ich mich auf das Schärfste gegen die infame Unterstellung des Antisemitismus verwahre. Zum Begriff der „Ostküste“ habe ich auf den US-amerikanischen Historiker George Dyson und dessen Buch „Turings Cathedral“ und die britische Historikerin Frances Stonor Saunders verwiesen. Saunders beschreibt die „sogenannte Ostküstenaristokratie“ im Zusammenwirken mit der „Ivy League“ als „eine Art Bruderbund anglophiler Bildungsbürger, die die Rechtfertigung für ihr Handeln in den Traditionen der Aufklärung und der Unabhängigkeitserklärung verankert sahen“. Daraus hätten sich die „Park Avenue Cowboys“ entwickelt, ein „Netzwerk“ mit Einfluss „in Amerikas Sitzungsräumen, akademischen Einrichtungen, großen Zeitungen und anderen Medien, Kanzleien und der Regierung selbst“.Ich stehe – nicht nur, aber auch durch die Berichterstattung der Berliner Zeitung belegt – fest zum Schutz jüdischen Lebens und jüdischer Kultur und empfinde es als zutiefst bedauernswert, dass beides in Deutschland noch immer und wieder zunehmend schutzbedürftig ist. In anderen Ländern wurde hier mehr Fortschritt erzielt.

Genauso gehört es zur Wahrheit, dass ich keine Autokraten bewundere. Dass ich keinesfalls die Idee unterstütze, Deutschland in eine Autokratie oder in einen Nationalstaat Bismarck’scher Prägung zu verwandeln. Dass ich ein Freund Russlands bin, doch jeden dortigen imperialen Reflex ablehne. In gleicher Weise, wie ich gerne in New York, an der Ostküste bin und überholte Muster imperialer US-Politik ablehne, in Beijing den Fortschritt ohne jedes Störgefühl würdigen kann und trotzdem weiß, dass der Grad meiner Individualität, mein Bestehen auf freiheitlichen Grundrechten dort zu Schwierigkeiten führen würde.

Sinkendes Vertrauen in die Medien

Die in den letzten Jahren zu beobachtende Tendenz in Politik und Medien, auf mittelalterliche Methoden der Ausgrenzung zum Machterhalt zurückzugreifen, kann in modernen Gesellschaften nicht zielführend sein. Der Pranger auf dem medialen Marktplatz, das johlende oder verschämt lüsterne Publikum in seinen niederen Trieben bedienend, beschämt unsere Zeit, insbesondere und mehr noch ihre medialen Eliten.Nicht wenige Medien scheuen den Diskurs, die offene Auseinandersetzung und verschanzen sich hinter Begriffen wie Corona-Leugner, Verschwörungsgläubiger, Putin-Freund, Demokratiefeind, Linker, Rechter, Umstrittener oder Antisemit als Markierung zur Durchsetzung von Interessen.In meinem Fall wird es nicht dazu führen, dass ich und die Teams des Berliner Verlags von unseren Zielen ablassen. Das beweisen die Erfolge der Berliner Zeitung und mittlerweile der Weltbühne. Wozu es jedoch führt, belegen Erhebungen über sinkendes Vertrauen in die Medien und über die als immer stärker eingeschränkt wahrgenommene Meinungsfreiheit.

Wie notwendig dies ist, zeigen aktuelle Entwicklungen selbst in der Zeit, die einen durchaus diskussionswürdigen Text des Autors Maxim Biller eher löschen lässt, statt sich in den Diskurs zu begeben. Die Welt verändert sich, damit auch die ein oder andere deutsche Gewissheit. Es erfordert Kraft und Mut, sich der Auseinandersetzung zu stellen und es ist so viel einfacher, polemisierend auszuweichen.

Deborah Feldman
Deborah FeldmanMatthias Reichelt/imago
Warum Wettbewerb nach fairen Regeln zu besseren Ergebnissen führt

Der Hintergrund des geplanten Artikels gegen mich in der Jüdischen Allgemeinen liegt eher in einem Konflikt des Chefredakteurs der Zeitung, Philipp Peyman Engel, mit der Weltbühne: Die Autorin Deborah Feldman hatte mit einem Text für die erste Ausgabe des Magazins auf doppelte Standards hingewiesen. Peyman Engel hatte einen Journalisten polemisch attackiert, der sich als Jude ausgegeben hatte, es nicht war und dies öffentlich eingestand. Der Journalist war durch Israel-kritische Texte auffällig geworden. Feldman deckte Fehlstellen in Peyman Engels Biografie auf und wollte von Peyman Engel Antworten. Sie wollte wissen, ob man die Herkunft eines Menschen instrumentalisieren könne, wenn einem dessen politische Auffassungen missfallen. Peyman Engel wollte sich nicht äußern – weder für die Recherche, auch nicht als aufklärendes Hintergrundgespräch. Ich habe persönlich als Vermittler in diesem jüdisch-jüdischen Diskurs gesprochen – Peyman Engel lehnte ab.Und wenn wir schon bei der Weltbühne sind: Nicholas Jacobsohn positioniert sich mit medialer Kraft als das späte Opfer der Enteignung des immateriellen Erbes als Enkel des Weltbühne-Herausgebers Siegfried Jacobsohn. Seiner Familie und ihm bot sich mehr als einmal die Chance, das Kulturgut Weltbühne wiederzubeleben. Seine Familie hatte mehrere Möglichkeiten, er selbst im Frühjahr 2025, sich diesem wichtigen kulturellen Erbe zu widmen. Vier Wochen vor Start der Wiederauflage habe ich eine letzte Nachricht übermittelt, ihm einen persönlichen Brief geschrieben, darin die zuvor mehrfach unterbreiteten Angebote der Kooperation bekräftigt. Als Akteur am Kapitalmarkt sollte er die Spielregeln einer freien Marktwirtschaft kennen.Fakt ist: Die Weltbühnen-Rechte, bisher an der US-amerikanischen Ostküste in Boston gehalten, sind nun in Ost-Berlin, in Mitte am Alexanderplatz und es geht um die Wiederauferstehung der Debattenplattform Weltbühne, die das Erbe der gewaltfreien, wortmächtigen Streitkultur in Deutschland fortführt.Das ist, zurückkommend auf den medialen Zustand Deutschlands, mehr als notwendig.Die Weltbühne ist dank der beiden Herausgeber Behzad Karim Khani und Thomas Fasbender zu einer weiteren Plattform des Lernens und des gewaltfreien Austauschs gereift. Mittlerweile kommen die Abonnenten aus acht europäischen Ländern, was zeigt, dass der Bedarf weit über Deutschland hinausreicht. Auch Herr Jacobsohn kann sich gerne einbringen. Wie bei allen Titeln des Berliner Verlages stehen die Türen über Open Source jedem weit offen. Solange die universellen Werte einer zivilisierten Welt Berücksichtigung finden.Wir sollten anerkennen, dass Wettbewerb nach fairen Regeln zu besseren Ergebnissen führt. Und wenn wir dies nicht tun, noch mehr Menschen sich an Rändern des Spektrums orientieren werden.Don’t shoot the messenger.

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Berliner-zeitung

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