Frieden ist die Antwort – Der neue Bryan Adams rockt sozial

Können Songs die Welt verbessern? „Sie können sicherlich nicht schaden“, antwortet der Rockmusiker Bryan Adams auf die Frage. „Ich wurde einmal von einem brasilianischen Journalisten gefragt, ob ich wüsste, für wie viele Küsse ich aufgrund meiner Lieder verantwortlich bin“, erinnert sich der 65-jährige Kanadier, den es nicht im Geringsten stört, von manchen Musikfans noch Jahrzehnte nach den Chartserfolgen von Balladen wie „Heaven“, „Everything I Do (I Do It for You)“ und „All For Love” als Kuschelrocker abgetan zu werden. „Es gibt doch nichts Besseres, als wenn man ein bisschen Liebe in die Welt bringen kann.“
Seit seinem letzten Album „So Happy It Hurts“ (2022), das die Rückkehr der Normalität nach der Lockdown-Welt von Corona feierte, hat Adams einige der bemerkenswertesten Songs seiner nunmehr 45 Jahre währenden Karriere veröffentlicht. Singles, die bislang auf keinem Album beheimatet sind oder die es nur digital gibt.
„Someone’s Daughter, Someone’s Son“ etwa war im Vorjahr ein Stück für Lorna Tuckers gleichnamige, autobiografische Obdachlosendoku. Der Rat im Text: „Gehen Sie nicht vorbei, denken Sie an diesen Menschen, helfen Sie ihm.“
Bryan Guy Adams (65), Gitarrist, Bassist, Sänger, Songwriter und Fotograf wurde am 5. November 1959 als Sohn englischer Eltern in Kingston in der kanadischen Provinz Ontario geboren. Er veröffentlichte sein Debütalbum im Alter von 20 Jahren, und startete 1983 eine internationale Karriere mit seinem dritten Album „Cuts Like A Knife“, das die Ballade „Straight From The Heart“ enthielt - seinen Durchbruchssong in den USA. 1984 sang Adams das Duett „It’s Only Love“ mit Tina Turner und veröffentlichte seinen Zwölf-Millionen-Seller „Reckless“. Im Jahr darauf nahm Turner ihn mit auf Tour, seither gehört der Mann aus Kingston/Ontario zu den internationalen Größen des Rock’n‘Roll. Bislang hat Adams 78 Singles und 16 Studioalben veröffentlicht, das 17., „Roll with The Punches“, erscheint am 29. August.
In den späten 90er Jahren begann Adams dann eine erfolgreiche Zweitkarriere als Fotograf und wurde 2015 in die britische Royal Photographic Society aufgenommen. Adams ist ein musikalischer Aktivist, seit er 1985 im JFK-Stadion von Philadelphia bei Live Aid auftrat. Er setzt sich für die Rechte von Tieren ein, ernährt sich seit seinem 29. Lebensjahr vegan („Wenn du Tiere liebst, iss keine!“), mag keinen Alkohol, hält sich von Drogen fern und unterstützt mit der nach der Tsunami-Katastrophe von 2004 gegründeten Bryan Adams Foundation seit 2006 breitgefächerte soziale Projekte – speziell für die Bildung von Kindern weltweit und für Kinder in Not. Bryan Adams hat einen jüngeren Bruder namens Bruce. Er ist nicht verheiratet, hat aber mit seiner Lebensgefährtin Alicia Grimaldi zwei Töchter, Mirabella Bunny und Lula Rosylean, die 2011 und 2013 geboren wurden.Schon 2019 hatte sich Adams, der seit mehr als zwei Jahrzehnten auch als Fotograf erfolgreich ist, mit seinem Bildband „Homeless“ und folgenden Fotoausstellungen des Themas Obdachlosigkeit angenommen. Der Mann auf dem Cover seines Buchs sieht ramponiert aus, er ist vom Schicksal geschlagen worden, aber er lächelt, er ist unbesiegt. Lied und Gesichter verkünden die Unantastbarkeit der Würde des Menschen.
Bryan Adams sieht Alkoholsucht als eine der Hauptursachen für Obdachlosigkeit
Für Adams ist eine der Hauptursachen der Obdachlosigkeit der Alkohol. „Wir werden von klein auf indoktriniert, Alkohol mit Feiern und mit guten Zeiten in Verbindung zu bringen“, sagt der Musiker.
„Aber Alkohol ist ein böser Trick, der als Vergnügen verkleidet ist. Wenn du verletzlich bist, wenn du Trost brauchst, und sei es auch nur für einen Moment, greifst du schließlich dazu – um die Angst oder den Schmerz zu lindern oder die Situation zu vergessen, in der du steckst. Man sagt, Marihuana sei eine Einstiegsdroge, aber ich glaube, Alkohol ist 100-mal schlimmer.“
Gibt es eine persönliche Erfahrung, warum er sich für diese Schwächsten stark macht? „Vielleicht, weil mein Studio, das Warehouse Studio, in der östlichen Innenstadt von Vancouver liegt, wo es – das kann man nachschlagen – einen der höchsten Anteile an Obdachlosigkeit und Drogenproblemen weltweit gibt. Dort ist es ein Miteinander von Alkohol und Fentanyl. Es ist niederschmetternd, das zu sehen.“
Die Wunden des Kriegs zeigte Adams 2013 in seinem Bildband „Wounded: The Legacy of War“. Auch hier verströmten die Soldaten mit ihren Narben und Prothesen trotz ihres Traumas Würde und Gelassenheit. „Am Anfang war es schwierig, Menschen zu finden, die sich wohlfühlen und sich so ehrlich offenbaren“, berichtet Adams von dem Projekt.
„Aber sobald ein Soldat es getan hatte, hatte er einen Freund, der dasselbe tun wollte. Und jedes Mal, wenn jemand ins Studio kam, zeigte ich ihm, was bis dahin gemacht worden war, um ihm eine Vorstellung von dem zu geben, was wir zu erreichen versuchten – ein Bewusstsein für ein Thema zu schaffen, das jeder zu meiden versuchte: die menschlichen Kosten des Krieges.“ All die Männer und Frauen seien ehrlich und offen gewesen, die Fotosessions eine tiefe Erfahrung von Demut.
Bryan Adams über seinen Vater, der mmit einer PTBS aus dem Krieg zurückkehrte
Hat das Schicksal seines Vaters seine Einstellung zu Krieg und Frieden geprägt? „Vielleicht“, so Adams. „Mein Vater litt unter einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), aufgrund der Erfahrungen, die er nach seinem Ausscheiden aus der Armee als UN-Friedensbeobachter im indisch-pakistanischen Krieg 1966 gemacht hatte. Er kam als anderer Mensch zurück.“
Damals gab es noch keine PTBS-Diagnose. „Als hochqualifizierter britischer Soldat musste er eine steife Oberlippe behalten und weitermachen“, erinnert sich Adams. „Wie wir später herausgefunden haben, ist das nicht so einfach.“
Im Song „What If There Were No Sides at All“ von 2023 entwirft Adams zu einer weinenden George-Harrison-Gitarre eine „Imagine“-artige Vision à la John Lennon von einer einigen Friedenswelt. Im Video schreitet Adams mit einer Peace-Flagge durch Ruinen. Den Clip habe er schon zu Beginn des Ukrainekriegs gedreht, erzählt er.
Aber er habe damals auch Bilder der Sperranlagen zwischen Israel und Gaza eingefügt. „Ich hatte wohl eine Vorahnung, dass es dort auch ,losgehen‘ würde, was dann auch geschah.“ Natürlich sei Frieden die Antwort, ist er sich sicher. „Aber es scheint, dass in diesem speziellen Fall das Ziel die ganze Zeit über etwas anderes als Frieden war. Nichts bewegt sich vorwärts … außer den Panzern.“
Bryan Adams über das Video zu "War Machine", in dem der Kriegsherr zum Ziel seiner Raketen wird
Im Spätsommer 2024 schob er den Antikriegsrocker „War Machine“ nach, den er bereits als 22-Jähriger mit seinem Songwriter-Gefährten Jim Vallance und Kiss-Bassist Gene Simmons für das Kiss-Album „Creature Of The Night“ (1982) geschrieben hatte. Das Video hat ein Happy End für die Angegriffenen. Eine Rakete wird umgelenkt und fällt dem Kriegstreiber auf den Kopf.
Ein Versprechen für die Unterdrückten und eine Mahnung an Diktatoren, dass ihre Zeit abläuft, wie es Bob Dylan 1965 im „Subterranean Homesick Blues“ prophezeite? „Hey, wie sagt man so schön: Karma ist eine Bitch!“, bestätigt Adams. „Und Wahrheit kommt ans Licht, unweigerlich, egal, wie sehr Propaganda sie verdreht.“
Zu Adams‘ vielleicht berühmtestem Rockstück „Summer of 69“ hält sich bis heute das Gerücht, es ginge darin um eine Liebesgeschichte im Sommer von Woodstock und Mondlandung. Das Thema stimmt, das Jahr nicht. „Da war ich zu jung für Bands und Mädchen“, erzählte er 2004 in einem Interview der Hannoverschen „Neuen Presse“.
„Es handelt davon, Liebe zu machen - ,me and my baby in a 69‘, einem Chevy, einem Auto, Baujahr 1969. Es geht um Sommer, Liebe, Jugend, Sex, Erinnerungen. Es ist meine Version von 'Night Moves', dem Bob-Seger-Song. Ich wollte immer ein Lied machen, das den inneren Aufruhr der Teenie-Jahre beschreibt.“Das 17. Bryan-Adams-Album ist fertig, heißt „Roll with The Punches“ und erscheint am 29. August. Bereits veröffentlichte Singles wie das Titelstück oder das „Make up Your Mind“, dazu Songs, von denen bislang nur die Titel bekannt sind – wie „Life is Beautiful“ oder „Be The Reason“ – klingen nach einem Ratgeber-Album für Menschen, die von den aktuellen Zeiten gebeutelt werden.
„Die Idee des Titelsongs ist, dass, wenn man niedergestreckt wird, man sich schüttelt und wieder aufsteht“, führt Adams aus. „Irgendwie haben wir das alle schon durchgemacht. Mit dem Alter mag die Sicht der Augen schwinden, aber die Fähigkeit, den Schwachsinn anderer zu durchschauen, wird besser. Das fasst den Song in etwa zusammen.“
Bryan Adams über den Kern seiner Songs
„Natürlich ist das in den Liedern vorherrschende Gefühl immer die Empathie für unsere Mitmenschen“, versichert Adams und wundert sich, das heute noch sagen zu müssen. Wie ist seine Einschätzung, ob diese Mitmenschen in den Jahren der Krisen und Kriege verzweifelter, deprimierter, apathischer oder aggressiver geworden sind? „Ich weiß es nicht“, sagt er. „Die meisten Menschen, denen ich begegne, arbeiten sehr hart, um über die Runden zu kommen. Es ist hart da draußen, aber das war es schon immer.“
„Love Is Stronger Than Hate“ heißt einer der Songs, von denen bisher nur der Titel bekannt ist. Steckt dahinter eine Art Credo? Es geht laut Adams um einen traumatisierten Kriegsheimkehrer. Glaubt der Songwriter daran, dass nach all dem jüngst Geschehenen Liebe eines Tages das Verhältnis zwischen Palästinensern und Israelis regieren wird, oder das zwischen Ukrainern und Russen?
„Warum nicht?“, fragt Adams zurück. „Viele Länder haben das nach dem Zweiten Weltkrieg geschafft.“ Besorgniserregend seien die Täter von heute allerdings schon, zudem die Regierungen der Welt, die sich nicht gegen Völkermord aussprechen wollten. „Ich meine, was für Menschen würden im Jahr 2025 Hunger als Waffe einsetzen? Menschen, die so etwas tun, müssen zur Rechenschaft gezogen werden.“ Hunger wurde laut Hilfsorganisationen in Syrien, in der Ukraine, zuletzt und derzeit wieder massiv in Gaza als Waffe eingesetzt.
Bryan Adams über Regierungen, die in ihren Kriegen Hunger als Waffe einsetzen
Auch über diese weltsichtigen Songs hinaus ist Bryan Adams wie ausgewechselt. Seit „War Machine“ veröffentlicht er seine Musik auf dem eigenen Label „Bad Records“. Schlimme Platten seien das natürlich nicht. „Da war dieser Freund, der mich Badams nannte, und dieser Spitzname blieb hängen“, erklärt Adams. „Ich fand das immer lustig, und so haben viele Dinge in meiner Welt im Laufe der Jahre das Wort ,bad‘ abbekommen. Ich hatte einen Newsletter namens Badnews, mein Verlag heißt Badams Music, also ist die logische Erweiterung eine Plattenfirma namens Bad Records.“ Gegründet hat er sie aus Spaß vor 12 Jahren. „Jetzt ist sie mein Zuhause.“, sagt er.
„Ich wäre wahrscheinlich bei einem Major geblieben, wenn die Angebote gut gewesen wären.“ Seien sie aber nicht gewesen. „Außerdem fühlte ich mich bei Universal und Polydor wie ein Teil des Mobiliars.“ Der Unterschied sei, dass Bad Records ein von Künstlern geführtes Label sei, und „kein Konglomerat, das von Anzugträgern geleitet wird, die wiederum Aktionären verpflichtet sind.“ Viele seiner alten Alben seien inzwischen schon zu ihm „zurückgekommen“. Wird Bad Records auch ein Zuhause für andere Künstler werden? „Möglich“, sinniert Adams. „Kommt darauf an, wer das wäre.“
Bryan Adams über den Reiz, auch nach 45 Jahren noch ins Studio zu gehen
Und ist es für ihn 45 Jahre nach dem ersten Album immer noch aufregend, ins Studio zu gehen? „Manchmal ist das Studio heute ja bloß ein Computer in einem Hotelzimmer“, erwidert Adams. Doch bejaht er: „Musik zu machen ist ein wenig wie eine Sucht. Es ist das Gefühl, etwas aus dem Nichts zu erschaffen. Also, ja – sehr aufregend. Besonders, wenn einem eine Idee kommt, die man wirklich mag. Als sich der Song ,Roll with The Punches‘ manifestierte, wusste ich, das war der Anfang eines neuen Albums. Wenn du so einen Eckpfeiler von Song hast, kannst du loslegen.“
Angst macht dem Vater zweier Teenie-Töchter die Welt von heute nicht. „Ich würde sagen, ich lebe lieber heute als im Mittelalter“, juxt er. „Die durchschnittliche Lebenserwartung lag damals bei 30 Jahren!“ Und er hat großes Vertrauen in die Jugend von heute, den Nachwuchs, in dessen Lieder und dessen künstlerisches Schaffen. „Wir müssen sie ermutigen, weiterhin ihre Wahrheit zu verkünden und dabei voller Liebe zu sein. Und müssen sie – ein Beispiel – nicht verhaften oder einsperren, wenn sie sich für Entrechtete einsetzen.“
Und dass der irrlichternde US-amerikanische Präsident Donald Trump seine neukolonialistischen Träume eines 51. US-Staats Kanada wahrmachen könnte, ficht ihn auch nicht an.
„Das ist kein Plan, das ist ein Trumpismus“, sagt Adams, „ehrlich gesagt, ich glaube, die USA haben derzeit weit größere Probleme zu bewältigen. Aber wenn man darüber abstimmen ließe, das sage ich jetzt mal ganz kategorisch, würden die meisten Kanadier diese Idee ablehnen.“

Auch als Fotograf erfolgreich: Bryan Adams hat unter anderem Bildbände über Kriegsveteranen und Obdachlose veröffentlicht.
Quelle: Sunday Times
Bryan Adams – „Roll With The Punches” (Bad Records) – erscheint am 29. August, auf einer Sonderedition sollen unter anderem auch die bisherigen Non-Album-Singles „Someone’s Daughter, Someone’s Son“, „What If There Were No Sides at All” und „War Machine” enthalten sein.
Bryan Adams live in Deutschland: 22. Juni – Biggesee Open Air, Olpe; 25. Juni - Sparkassen-Park, Mönchengladbach; 27. Juni – Würth Open Air, Künzelsau; 29. Juni – Open R Festival, Uelzen; 2. Juli – Domplatz, Fulda (ausverkauft); 3. August – Schlosspark, Schwetzingen; 5. August – Peißnitzinsel, Halle; 6. August – Kuchwaldwiese, Chemnitz.
rnd