Aufruf zum Artenschutz: Das Kinospektakel „Jurassic World: Die Wiedergeburt“

Der Paläontologe weint. Das ist nicht gerade der spektakulärste Moment bei diesem wilden Ritt durch den artenreichen Kino-Dino-Themenpark auf einer tropischen Insel. Alle paar Minuten sperrt ein Viech mit gefährlich spitzen Zähnen Maul oder Schnabel auf und schnappt nach verzweifelt zappelnden Menschen.
Man sollte dennoch einen Moment an der Seite des angerührten Dr. Henry Loomis (Jonathan Bailey) verweilen und mit ihm staunen. Der Wissenschaftler steht inmitten einer Herde friedlicher Urtiere und umfasst das runzlig-graue Bein eines dieser gigantischen Pflanzenfresser. Ein Pärchen von Dinos reibt hoch über Loomis’ Kopf liebevoll die langen Hälse aneinander. Beim Biologen rollen hinter dem Brillenglas die Tränen.
Wer schon einmal Elefanten in der afrikanischen Savanne beobachtet hat (ohne sie anzufassen), versteht die Ergriffenheit des Mannes. Dass solche Lebewesen auf der Erde existieren! Dass der Mensch es nicht schafft, ihr Überleben zu sichern! Dass er allen Behauptungen zum Trotz das Artensterben immer schneller vorantreibt, obwohl er weiß, dass er damit seine eigenen Grundlagen zerstört!
Gewiss, die Ausgangslage hier ist etwas komplizierter. Homo sapiens kann nichts dafür, dass die Dinosaurier verschwunden sind. Dafür war wohl ein Asteroideneinschlag verantwortlich. Zwischen beiden Spezies liegen 65 Millionen Jahre der Evolution. Aber nun hat der Mensch die Tiere neu erschaffen und damit Verantwortung für sie übernommen. Jedenfalls im Kino.
„Jurassic World: Die Wiedergeburt“ ist bereits der siebte Film der von Steven Spielberg 1993 begonnenen Kinoreihe, die auf Michael Crichtons Romanen beruht.
Spielberg ist nurmehr als ausführender Produzent dabei, dafür aber wieder Drehbuchautor David Koepp. Die Regie übernahm der mit Kreaturen vielerlei Art erprobte Brite Gareth Edwards („Monsters“, „Godzilla“).
Die ursprüngliche Idee: Wissenschaftler finden eine Mücke in einem Bernstein, die Blut von einem Dinosaurier genippt hat. Aus den DNA-Resten lassen die Forscher die Tiere wiederauferstehen. Seitdem ringen die Menschen mit sich, ob sie die Dinos behüten oder doch lieber abknallen sollen.
Echte Wissenschaftler sind zu dem Schluss gekommen, dass diese Technik niemals funktionieren würde. DNA hält sich nicht über Jahrmillionen. Egal: Es geht in jenem stillen Augenblick an der Seite des weinenden Paläontologen um die Wunder der Schöpfung. In diesem auf größtmögliche Schauwerte abzielenden Blockbuster steckt ein gut gemeinter Appell zur Artenrettung.
Wie schon in Spielbergs erstem Film wollen gierige Kapitalisten das Dinosaurier-Wunder ausbeuten. Ein Medizinkonzern plant, mit einem aus Dino-DNA gewonnenen Herzmittel seine Gewinne zu maximieren. Gebraucht wird dafür das Blut der größten Urtiere, und diese leben in tropischen Breiten.
Aufgeboten wird für die Expedition das handelsübliche Kinopersonal: Die Abenteurer Zora Bennett (Scarlett Johansson) und Duncan Kincaid (Mahershala Ali) sind zumindest anfangs aufs Geld aus. Dem Paläontologen Loomis geht‘s um die Tiere. Martin Krebs (Rupert Friend) ist der abgebrühte Abgesandte des Konzerns, der seine wasserdichte Rettungstasche wie ein Rollköfferchen am Flughafen durch den Dschungel hinter sich herzieht und im Zweifelsfall über Leichen geht.

Sie haben etwas Großes im Blick: Jonathan Bailey als Paläontologe Dr. Henry Loomis und Scarlett Johansson als Abenteurerin Zora Bennett.
Quelle: Universal
Dazu stößt unfreiwillig eine Kleinfamilie auf einem havarierten Segelschiff mit alleinerziehendem Daddy und schwierigem Freund der Tochter.
Die menschlichen Verluste lassen sich in Minutenabständen takten. Merke: Wer auf die fliegenden, schwimmenden und stampfenden Echsen ballert, wird gefressen – gern garniert mit einer Portion Splatter-Horror, wenn ein abgebissener Arm durch die Luft wirbelt.
Die kleine Tochter darf sich dafür mit einem nach Süßigkeiten süchtigen Mini-Dinosaurier anfreunden, der mit seinen riesigen Ohren an Spielbergs Außerirdischen „E. T.“ erinnert. Großmeister Spielberg erkannte Anfang der Neunziger sofort das Potenzial des Stoffs. Allerdings musste er sich damals etwas einfallen lassen: Die Computertrickserei steckte in ihren Anfängen und war sündhaft teuer.
Spielberg streckte geschickt die Spannung bis zum Auftauchen des Objekts der Neugierde – darin war er seit der „Weiße Hai“ (1975) Meister. Schließlich beschränkte er sich auf eine insgesamt sechs Minuten kurze Dino-Schau.
Hollywoods Erfolgsrezept besteht jedoch darin, sich mit jedem weiteren Spektakel zu überbieten. In diesem Fall führt das zu der unglücklichen Entscheidung, noch andere genmutierte Attraktionen einzuführen, die aussehen, als wären sie direkt der Hölle entronnen. Das Ergebnis erinnert an eine Achterbahnfahrt auf der Kirmes.
Hören wir lieber noch mal auf den weitsichtigen Wissenschaftler Loomis: Die Erde werde den Menschen einfach abschütteln, wenn sie seiner müde ist, sagt er. Wer hätte das gedacht: Hollywood wird deutlicher als jede Artenschutzkonferenz.
„Jurassic World: Die Wiedergeburt“, Regie: Gareth Edwards, mit Scarlett Johansson, Mahershala Ali, Rupert Friend, 124 Minuten, FSK 12
rnd