Neues Medikament senkt Blutdruck stark – und begeistert Herz-Experten aus aller Welt

In Deutschland haben fast 30 Millionen Menschen Bluthochdruck. Ein neues Medikament soll bei behandlungsresistenten Fällen nun endlich Abhilfe schaffen, berichten Herzmediziner.
In Deutschland lebt fast 30 Prozent der Bevölkerung ab 20 Jahren mit der Diagnose Bluthochdruck (Hypertonie). Bei Betroffenen ist der Druck, den das Blut gewissermaßen von innen auf die Blutgefäße ausübt, zu hoch – langfristig schadet das nicht nur den Blutgefäßen sondern auch Gehirn, Nieren, Augen und Herz. Bluthochdruck gilt daher als einer der wichtigsten Risikofaktoren für verschiedene Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Darunter
- Schlaganfall,
- Herzinfarkt,
- Herzrhythmusstörungen
- und Herzschwäche (Herzinsuffizienz).
Wird ein Bluthochdruck früh erkannt und etwa mit Medikamenten behandelt, können Betroffene gut damit leben. Das Problem: Bei vielen Patientinnen und Patienten schlagen gängige Mittel nicht an. Trotz Kombination aus teils drei oder mehr verschiedenen Medikamenten senkt sich ihr Blutdruck nicht genügend ab.
Die Forschenden haben das Medikament Baxdrostat in einer klinischen Studie mit fast 800 Bluthochdruckpatientinnen und -patienten untersucht. Teilgenommen haben Personen mit
- unkontrolliertem Bluthochdruck: erhöhter Blutdruck trotz Behandlung mit zwei Medikamenten
- und behandlungsresistentem Bluthochdruck: erhöhter Blutdruck trotz Behandlung mit drei oder mehr Medikamenten
Die Probanden erhielten über mehrere Wochen neben ihrer üblichen Therapie zusätzlich einmal täglich entweder Baxdrostat oder ein wirkungsloses Placebo. Beobachtet wurde an den 214 verschiedenen Standorten vor allem der systolische Blutdruck – also der Druck in den Gefäßen, wenn sich der Herzmuskel anspannt.
Der Blutdruck wird in der Einheit „Millimeter Quecksilbersäule“ (mmHg) gemessen. Der systolische Blutdruck misst den Druck beim Herzschlag – also wenn sich der Herzmuskel zusammenzieht und Blut in die Gefäße pumpt. Der diastolische Blutdruck misst den Druck auf die Gefäße, wenn der Herzmuskel erschlafft - er ist niedriger als der systologische Blutdruck.
- Optimaler Blutdruck: 120/80 mmHg oder darunter sowie Werte knapp darüber
- Milder Bluthochdruck: ab 140/90 mmHg
- Mittlerer Bluthochdruck: ab 160/100 mmHg
- Schwerer Bluthochdruck: 180/110 mmHg als schwerer Bluthochdruck
Nach zwölf Wochen Beobachtungszeit zeigte sich:
- Fast 40 Prozent der Baxdrostat-Gruppe erreichte einen kontrollierten systolischen Blutdruck (< 130 mmHg). Dies gilt sowohl bei einer Dosis von 1 mg und 2 mg.
- Nur knapp 19 Prozent der Placebogruppe erreichte diesen Wert.
Die Wirkung der Behandlung hielt auch 32 Wochen nach Start an.
Ihre Daten hat das Forschungsteam im Fachjournal "New England Journal of Medicine" veröffentlicht – die Studie wird zum Teil vom Pharmahersteller "Astrazeneca" mitfinanziert.
Die Forschenden machten noch eine weitere, vielversprechende Entdeckung. Sie teilten die Gruppe, die zuvor 2 mg Baxdrostat am Tag erhalten hatte, nach den zwölf Wochen in zwei Gruppen auf: eine erhielt weiter die Dosis, die andere lediglich ein Placebo.
Während sich der systolische Blutdruck bei der Baxdrostat-Gruppe weiter verringerte, stieg er bei der Placebo-Gruppe zwar wieder an – allerdings deutlich langsamer als erwartet. In der Studie spekuliert das Forschungsteam, dass das Medikament eventuell die zugrundeliegenden schädlichen Auswirkungen auf das Gefäßsystem und die Aktivität des sympathischen Nervensystems hemmt oder sogar behebt.
- 1,9 Prozent der Patienten in der 1-mg-Baxdrostat-Gruppe,
- 3,4 Prozent in der 2-mg-Baxdrostat-Gruppe
- 2,7 Prozent in der Placebo-Gruppe
schwere Nebenwirkungen.
Damit bestätigt das Team die Wirkung und Sicherheit von Baxdrostat erstmals bei einer größeren Patientengruppe. Ob das Medikament tatsächlich zur Behandlung von Bluthochdruck zugelassen wird, wird sich allerdings noch zeigen. Geplant sind weitere Langzeitstudien.
Der Wirkmechanismus von Baxdrostat geht auf einen bekannten Treiber von Bluthochdruck zurück: erhöhte Werte des Hormons Aldosteron im Blut, die zu einem gestörten Kaliumhaushalt führen. So steigert sich das Blutvolumen, was wiederum den Blutdruck deutlich erhöht.
Daher gibt es schon seit einigen Jahren Medikamente, die die Wirkung von Aldosteron ganz spezifisch blockieren – darunter beispielsweise Spironolacton und Eplerenon.
Allerdings verhindern diese Medikamente nur, dass Aldosteron an die entsprechenden Rezeptoren bindet und nicht, dass es zu viel produziert wird. Außerdem haben diese Medikamente starke Nebenwirkungen. Im Fall von Spironolacton etwa sexuelle Funktionsstörungen und Menstruationsunregelmäßigkeiten.
Forschende würden daher seit Jahrzehnten versuchen, die Aldosteron-Produktion gezielt zu hemmen, erklärte Bryan Williams vom University College London, einer der leitenden Autoren der Studie in einer Pressemitteilung.
Nun mit Erfolg: "Baxdrostat ist eine der ersten Therapien, die dies selektiv tut und bei unkontrolliertem oder resistentem Bluthochdruck zu einer signifikanten Senkung des Blutdrucks führt", sagt Williams.
Paul Leeson, Professor für Kardiologie an der Universität Oxford, der nicht an der Studie beteiligt war, sieht Potenzial für eine ganz neuen Reihe von Medikamenten: "Dieses neuen Medikamente könnte eine potenziell wertvolle zusätzliche Behandlungsmethode zur Bekämpfung von Bluthochdruck sein", sagt er dem britischen Science Media Center.
Und auch andere Forscher zeigen sich zuversichtlich: bei der Präsentation in Madrid gab es Medienberichten zufolge sogar spontanen Applaus.
FOCUS