Experte gibt Tipps: Warum Halbmarathon-Training nicht automatisch für den Marathon reicht

Wenn du bereits einen Halbmarathon erfolgreich gelaufen bist, bringst du eine solide Grundlage mit – doch der Sprung zum Marathon ist größer, als man denkt. Klassische Trainingspläne für den Halbmarathon sind in der Regel auf einen überschaubaren Umfang zugeschnitten: Die langen Läufe bleiben oft unter 90 Minuten, der Wochenumfang pendelt sich bei 30 bis 40 Kilometern ein. Das reicht völlig aus, um 21 Kilometer gut zu bewältigen. Doch wer sich mit dieser Vorbereitung an die volle Distanz wagt, begibt sich auf gefährliches Terrain.
Spätestens ab Kilometer 30 zeigt der Marathon sein wahres Gesicht. Die Reserven schrumpfen, der Kopf wird müde, und wer jetzt keine klare Strategie hat, kämpft nicht mehr um eine gute Zeit – sondern ums Ankommen. Ohne ausgedehnte Trainingsläufe, in denen Körper und Verdauung lernen, mit Gels, Drinks und wachsender Ermüdung umzugehen, ist der Einbruch fast programmiert. Und auch das sogenannte „Tapering“ – also das gezielte Zurückfahren des Trainings in den letzten Wochen – fehlt in vielen Halbmarathon-Plänen komplett.
Lange Läufe sind weit mehr als bloßes Kilometerfressen. Sie sind ein zentrales Element in deiner Marathon-Vorbereitung, denn auf diesen Strecken lernt dein Körper, effizienter zu arbeiten. Die Fähigkeit, Fett als Energiequelle zu nutzen, verbessert sich spürbar, und gleichzeitig wird der Verbrauch von Glykogen optimiert. Je besser dein Körper das kann, desto länger bleibst du im „grünen Bereich“, ohne frühzeitig zu erschöpfen.
Doch es geht nicht nur um den Stoffwechsel. Auch dein Magen-Darm-Trakt wird durch lange Läufe trainiert. Denn während des Marathons musst du Energie zuführen, zum Beispiel in Form von Gels oder Getränken. Was im Ruhezustand problemlos klappt, kann bei hoher Belastung schnell zum Problem werden, wenn du das nicht regelmäßig geübt hast. Und nicht zuletzt: Dein Kopf lernt mit. Die schlichte Dauer der Belastung fordert dich mental heraus – und macht dich robuster für das, was am Marathontag kommt.
Dabei gilt: Länger ist nicht automatisch besser. In der Praxis haben sich lange Läufe von maximal drei Stunden bewährt. Alles, was deutlich darüber hinausgeht, bringt oft mehr Schaden als Nutzen – weil das Risiko für Überlastung, Erschöpfung und Verletzungen unverhältnismäßig steigt. Statt einmal extrem lang zu laufen, solltest du lieber regelmäßig Läufe zwischen zweieinhalb und drei Stunden einbauen – am besten mit integrierten Abschnitten im geplanten Marathon-Tempo und mit echtem Fueling-Training. So stärkst du nicht nur deine Ausdauer, sondern trainierst auch all die kleinen, aber entscheidenden Details, die über deinen Erfolg auf den 42,195 Kilometern entscheiden.
Deine Leistung hängt nicht nur vom Laufen ab, sondern genauso stark von dem, was du außerhalb der Trainingseinheiten tust – vor allem, wie gut du regenerierst und wie clever du deinen Körper mit Energie versorgst.
In den 36 bis 48 Stunden vor dem Wettkampf solltest Du gezielt Kohlenhydrate (Carb-Loading) tanken – und zwar rund 10 bis 12 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag. Klingt viel? Ist es auch – aber es füllt deine Glykogenspeicher auf ein Maximum, was dir im Rennen entscheidende Energie liefert.
Auch während des Laufs brauchst du Nachschub: 60 bis 90 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde gelten als optimal. Am besten kombinierst du Glukose und Fruktose – das erhöht die Aufnahmefähigkeit und schont gleichzeitig den Magen. Klingt technisch? Vielleicht. Aber es macht den Unterschied zwischen kontrolliertem Finish und dem gefürchteten „Mann mit dem Hammer“.
Bei all dem Training solltest du die Erholung nicht vergessen. Je mehr du trainierst, desto mehr solltest du auf ausreichend Schlaf, hochwertige Proteinzufuhr und echte Pausen achten. Dein Körper baut sich nicht während des Trainings auf, sondern in den Stunden danach. Vernachlässigst du die Regeneration, riskierst du nicht nur Leistungseinbrüche, sondern auch Verletzungen.
Besonders wichtig ist das Tapering. In den letzten drei Wochen vor dem Rennen fährst du den Trainingsumfang systematisch herunter – und zwar ohne komplett untätig zu werden. Studien zeigen, dass ein gut strukturierter Taper messbar bessere Zielzeiten bringt. Du wirst also nicht schlechter, sondern frischer. Und genau das brauchst du, wenn es am Marathontag ernst wird.
Ein Halbmarathon ist ein großartiger Meilenstein – keine Frage. 21 Kilometer zu bewältigen, erfordert Disziplin, Ausdauer und Willenskraft. Aber der Marathon? Der spielt in einer ganz eigenen Liga. Es ist nicht einfach nur die doppelte Distanz – es ist ein anderes Rennen, mit anderen Anforderungen, einem anderen Rhythmus und einer ganz eigenen Dynamik.
Wenn du mit dem Gedanken spielst, den Sprung auf die 42,195 Kilometer zu wagen, brauchst du ein durchdachtes Training.
Gönn dir die Zeit, dich wirklich vorzubereiten. Dann wirst du nicht nur das Ziel erreichen, sondern es mit erhobenem Kopf durchqueren. Nicht erschöpft, sondern stolz. Nicht nur Finisher, sondern jemand, der den Marathon wirklich gemeistert hat.
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